Pilot To Gunner – Hail Hallucinator
Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt melden sich Pilot To Gunner mit einem Gruß aus dem Studio. Eigentlich war kein Album geplant – man schrieb ab und an Songs, spielte ein paar Gigs und widmete sich anderen Schauplätzen, zuletzt unter anderem Death Cults. Lockdown und Isolation beflügelten hingegen; laut Band gehörte der Songwriting-Prozess zu den wenigen schönen Dingen in diesen langen Monaten. Man verließ sich auf ein bewährtes Team, wiewohl die Rhythmusabteilung erstmals auf Platte zu hören ist. „Hail Hallucinator“ wirft einmal mehr mit Indie, Alternative und etwas Post-Hardcore um sich.
Einer der etwas älteren Songs ist „We’re Blasting To Masses“, bereits vor Jahren geschrieben und nun endlich auf Platte gelandet. Tatsächlich wirkt das Ding wie aus der Zeit gefallen … wie auch der restliche Stoff, also passt das wunderbar. Musikalisch machen Pilot To Gunner exakt das, was man sich von ihnen erwartet: schroffer, kantiger Rock zwischen Indie und Alternative mit ruppigem Post-Hardcore-Unterbau und ein paar Melodien mitten im verwaschenen Chaos. „Razor Drop“ wirkt trotz seiner Kürze wie der Gegenpol dazu, sehr gemächlich und fast schon melancholisch. Und doch kann auch dieser Exkurs in den richtigen Momenten zupacken.
Überhaupt reift diese Rückkehr im Albumformat zum absoluten Siegeszug. Wie sich „Escape Season“ zu mächtigen Harmonien vortastet, ohne diese komplett auszureizen, unterhält. Mit kleineren Tweaks könnte die Nummer von den Foo Fighters stammen, stattdessen halten ein paar ausgewählte Dissonanzen Einzug in den missmutigen, dringlichen Mix. „Drop The Sun“, fordern Pilot To Gunner zu Beginn, und ziehen ihren Alternative-Stiefel mit wachsender Begeisterung durch. Eine gewisse abweisende Haltung lässt sich nicht von der Hand weisen, und doch kommen feinsinnige Melodien am laufenden Band durch – ein kleiner Widerspruch, aber was für ein sympathischer.
Entsprechend spielen Pilot To Gunner eine halbe Stunde lang mit den Emotionen, bloß auf unfassbar sympathische Weise. Konstante Unruhe trifft auf Harmoniebedürfnis in einem schrägen und zugleich so logischen Move, der „Hail Hallucinator“ über alle Zweifel erhaben sein lässt. Das Studio-Comeback des Quartetts ist aus der Zeit gefallen und zugleich zeitlos, Heimat grandioser Melodien und nervöser Wracks, die gekonnt und mitreißend ineinandergreifen. Weiterhin gibt es kein Schema F bei Pilot To Gunner, sondern packende Songs, die an die Substanz gehen, das Herz erwärmen und die letzten Hirnwindungen durcheinanderwirbeln – es ist ein Glück, sie zurück zu wissen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 12.08.2022
Erhältlich über: Arctic Rodeo Recordings (Broken Silence)
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