vandermeer – Grand Bruit

vandermeer
(c) Muriels.ink

Wie so viele andere Bands wurden auch vandermeer auf der Bühne ausgebremst – für eine Band, die gerne vor Menschen spielt, natürlich fatal, zumal man bewusst auf Streaming-Gigs verzichtete. Also begannen die Arbeiten am dritten Album, das in jeder Hinsicht größer und intensiver ausfallen sollte. Man wollte (und bekam) unbedingt mehr von allem: Lautstärke, Emotionen, Wut und Einfühlsamkeit. „Grand Bruit“ handelt von persönlichen Rückschlägen, von Verlustängsten, aber auch von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, mit denen man alles andere als glücklich war.

Tatsächlich haut dieses Werk richtig schön um. „Più Più“ verkörpert diesen Drang nach Mehr mit gefühlvoller Wucht. Harmke van der Meers weiche und doch eindringliche Stimme sieht sich mit ordentlich Distortion konfrontiert, die weit über das vertraute Maß an Indie, Alternative und Shoegaze hinausgeht. vandermeer haben den Post Rock für sich entdeckt und erinnern in den wütenden, dröhnend lauten Parts schon mal an die famosen The Twilight Sad. Dem gegenüber steht ein Track wie „Wasted Sorrows“, der sich von solchen Ansätzen konsequent absetzt und elektronisch, beatesk mit poppiger Magie arbeitet. Das fällt aus dem Rahmen, macht aber ordentlich Laune.

Limits kennt das Quartett aus Trier nicht und schreibt stattdessen Songperlen am laufenden Band. „Napoli Centrale“ ist ein weiteres Alternative-Gaze-Schmuckstück, das zwischen elegischen Noise-Wänden, fragiler Melodik und epischer Wucht pendelt – wie aus der Zeit gefallen und mit seinem finalen Crescendo von unfassbarer, geradezu brachialer Schönheit geprägt. Auch „Oh So Bold We Stare“ startet erst zum Schluss durch, nimmt sich aber deutlich zurück. Sympathische Reduktion und klassische Post-Rock-Muster bereiten auf den Sturm im Wasserglas der verstörten Idylle vor.

Tatsächlich können 50 Minuten zu kurz sein, denn die Art und Weise, wie „Grand Bruit“ fest in den Arm nimmt, wachrüttelt und dabei eine neue Welt präsentiert, geht nahe, lässt nicht los. Diese beklemmende Interpretation musikalischer Schönheit erschafft einen Mikrokosmos, der auf Ewigkeit verweilen soll, so begeisternd fällt dieser aus. Ja, die pure Intensität von vandermeer überrascht und überwältigt erst einmal, gerade in Verbindung mit unwahrscheinlich lauten Gitarrenwänden und präzisen Stilbrüchen. Doch funktioniert genau das wunderbar und ergibt ein kleines Highlight, das eigentlich auf keiner zu früh erschienenen Jahresbestenliste fehlen darf.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 09.12.2022
Erhältlich über: Barhill Records (Cargo Records)

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