Bring The Mourning On – Ynnest

Bring The Mourning On
(c) Tilman Dominka

Unverhofft kommt oft und ungewöhnlich … ebenso? Fast neun Jahre nach ihrem letzten Album sind Bring The Mourning On wieder da, bloß irgendwie anders. Nach drei Platten in vier Jahren und ordentlich Live-Aktivitäten nebst Vollzeitjobs, Kindern und Beziehungen widmeten sich die Schweden erst einmal dem Privaten. Geprobt wurde schon länger, das Line-up fand sich allerdings nur langsam wieder (Keyboarderin Erika Axelsson setzt ihre musikalische Pause fort) und der Sound änderte sich gleich mit. Aus Americana und Folk wurde weitestgehend instrumentaler Post Rock: „Ynnest“ wagt den kompletten Bruch mit vollem Erfolg.

Am ehesten knüpft „Be Gone“ an die früheren Werke an. Es ist der einzige Track mit Vocals, dessen Reduktion dezent folkige Anleihen in sich trägt, dabei aber schnell in Richtung Post-Formel driftet. Der für das Genre etatmäßige Spannungsaufbau darf nicht fehlen, die singende Gitarre in den Schlussminuten diktiert das Geschehen. Viel typischer ist da schon „Riksgränsen“, das ohne Frage als Epos aus der Westentasche durchgeht. Der omnipräsente Americana-Twang wird sukzessive verschoben und macht Platz für neue Klangwelten. Die zweite Hälfte ist eine einzige gewaltige Explosion(s In The Sky), lebt vom Drama einer Band wie Russian Circles und ersäuft zusehend in einem bekömmlichen Meer voller Distortion.

„All The Things We Used To Know“ wagt sich sogar noch eine Spur weiter hinaus. Der Opener nimmt mehr als zehn Minuten in Beschlag und langweilt dabei in keiner Sekunde. Betont vorsichtig tasten sich die Schweden durch ein zartes, fragiles Intro, bis sich irgendwann ein imaginärer Schalter umlegt und einer intensiven, gewaltigen Tour de Force Tür und Tor öffnet. Wiederholt deuten Bring The Mourning On ein etatmäßiges Crescendo an, nur um sich zurückzunehmen und butterweiche, eingängige, geradezu himmlische Melodien in den Mittelpunkt zu rücken. Laufend verfinstert sich der Himmel für kleine Momente, die Explosion scheint nah … und doch lässt sich das Idyll nicht verdrängen.

Können 40 Minuten zu schnell vorübergehen? Dieses seltene Kunststück gelingt Bring The Mourning On tatsächlich. Natürlich stellt „Ynnest“ einen krassen Bruch zu den Vorgängern dar. Die Schweden hatten immer schon ein Faible für ausladende Songstrukturen und paaren diese nun mit dem passenden Genre. Zwar lassen sich immer noch Spuren früherer Arrangierungen im frischen Post-Rock-Outfit erkennen, doch bleiben diese schemenhaft und legen zugleich den Grundstein für einen erfolgreichen Neustart. Oder doch nicht: Bring The Mourning On arbeiten bereits an einem weiteren Album im vertrauten Americana- und Folk-Stil. Dieses Mal hoffentlich ohne große Wartezeit.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 10.02.2023
Erhältlich über: Stargazer Records (The Orchard)

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