Sen Morimoto – Diagnosis

Sen Morimoto
(c) Michaela Quan

Nach zwei kurzweiligen Alben in Eigenregie befand sich Sen Morimoto am Scheideweg. Die finanzielle Realität eines professionellen Musikers, begleitet von den Einschränkungen einer Pandemie, holten den US-Amerikaner ein. Zugleich hatte er nach eigener Ansicht das Thema seiner bisherigen Releases – der tagebuchartige Blick nach innen – erschöpft. Und doch geht es weiter, nun unterstützt durch City Slang, wo der neueste Streich gemeinsam mit dem eigenen Label Snooper Records erscheint. Zugleich richtet Morimoto den Blick auf „Diagnosis“ nach außen und arbeitet sich an größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen im gewohnt jazzig-eingängigen Soundgewand ab.

13 stilvolle Kapitel wirken beseelt, tanzbar und unverschämt eingängig. Im eröffnenden „If The Answer Isn’t Love“ kommen Jazz und Soul zusammen, begleitet von zurückgelehntem Gesang. Dass das Arrangement vergleichsweise forsch und ruppig ums Eck kommt, ist eine Ausnahme, speziell die Lead-Gitarre dreht ordentlich auf. Das anschließende „Bad State“ gestaltet sich im Vergleich dazu regelrecht funky, schillernd und mitreißend. Wie sich das Saxofon immer wieder in den Mix schleicht, weiß zu unterhalten. Hingegen bemüht „Surrender“ das große Drama, nimmt fast schon so etwas wie einen Hauch Düsternis auf und zerrt die instrumentale Kunst ins Rampenlicht.

Im Titelsong „Diagnosis“ brodelt es andauernd. Ein regelrechter Wortschwall bricht aus Morimoto heraus, erinnert an sein Faible für Rap und passt doch prima in die kunstvoll-jazzige Pop-Atmosphäre. Das lange, stilvolle „Deeper“ nimmt hingegen das Tempo raus und bemüht den rauchigen Jazz-Club, den der Amerikaner dennoch sukzessive in die Moderne holt – siehe und höre das legere Beat-Konzept, dem hörbares Herzblut innewohnt. Auch wenn Morimoto abschließend in der „Reality“ angekommen ist, klingt diese dennoch futuristisch und zerrissen – unwirklich, möchte man beinahe sagen. Selbst für kleinere Coltrane-Grüße bleibt Raum, bevor es wieder verdammt smooth wird.

Lebhaft, modern, klassisch und zugleich zeitlos smooth, so präsentiert sich Sen Morimotos dritter Streich, der musikalisch in etwa das bietet, was man sich erwartet und erhofft hat, vielleicht sogar noch eine Spur breiter aufgestellt. Die schweren letzten Jahre sind freilich nicht restlos an ihm vorübergegangen, was „Diagnosis“ wilder, verwegener, unebener und zugleich pointierter erscheinen lässt. In Verbindung mit den nicht minder gekonnten Lyrics entsteht eine weitere Perle eines Künstlers, der sich abermals für deutlich höhere Weihen und viel mehr Aufmerksamkeit empfiehlt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 03.11.2023
Erhältlich über: Snooper Records / City Slang (Rough Trade)

Website: senmorimoto.com
Facebook: www.facebook.com/MorimotoSen