God Bless Ozzy Osbourne
Nach der hervorragenden Dokumentation über Motörhead-Legende Lemmy Kilmister fehlte eigentlich nur eine Betrachtung von Ozzy Osbournes Karriere in bewegten Bildern, einer der letzten großen Metal-Legenden und -Outlaws, die selbst eine gewaltige Verwässerung in Form des MTV-Grusels „The Osbournes“ überstanden hat und musikalisch nach wie vor über jeden Zweifel erhaben ist. „God Bless Ozzy Osbourne“ stammt aus der Feder von Sohnemann Jack, der nach besagtem TV-Desaster und einem erfolgreichen Entzug mit dafür verantwortlich ist, dass es den Prince of Darkness in dieser Form heute noch gibt. Und doch stellt sich die berechtigte Frage, ob ein Familienmitglied überhaupt ein solches Projekt mit der dafür notwendigen kritischen Distanz umsetzen kann.
Die Dokumentation erweist sich als Gratwanderung, die in den Interview-Passagen zum Tribeca Film Festival am Besten zur Geltung kommen: Einerseits wollte Jack Osbourne zeigen, wie er seinen Vater sieht und damit seine Geschichte aus einem speziellen Winkel erzählen, andererseits führte die Interviews sein Mitstreiter Mike Fleiss, um eine zu persönliche und zu intime Ebene zu vermeiden. Davon profitiert der Film ebenso wie er an einigen wenigen Stellen darunter leidet, an denen man sich möglicherweise ein etwas globaleres Bild Ozzy Osbournes gewünscht hätte, gerade wenn es um die musikalische Vergangenheit und die letzten zehn Jahre geht. Ebenso sind 93 Minuten für die illustre Karriere der Metal-Legende aus Birmingham verdammt knapp bemessen, Deleted Scenes hin oder her.
Zu Beginn sieht man einen der wichtigsten Motoren von Ozzy Osbournes Leben: das Publikum. Der Prince of Darkness wird auf Tour begleitet, wobei vor allem seine Aufwärmübungen vor der Show – Ergometer, Gesangsübungen, Pinkeln, Beten – gezeigt werden. Diese dienen als Übergang zwischen den verschiedenen Kapitel über das Leben des gebürtigen Briten. Ausgehend von einer Überraschungsparty zu Ozzys 60. Geburtstag werden unter anderem seine drei Schwestern und einer seiner Brüder zu Kindheit und Jugend befragt, zur viel zur kurz abgehandelten Black Sabbath-Zeit kommen die Gründungsmitglieder Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward zu Wort. Neben der Musik nehmen Alkohol- und Drogenkonsum eine zentrale Rolle ein – Ozzys Exzesse ziehen sich wie ein roter Faden durch die Dokumentation. Für genauere Informationen über gerade die Anfänge von Black Sabbath ist die DVD „Classic Albums: Paranoid“ sicherlich die bessere Wahl.
Im Rahmen der Abschnitte über Ozzys Solokarriere geht es natürlich erneut um Exzesse, aber auch Familienbande. So kommen seine Kinder aus erster Ehe ebenso zu Wort wie seine zweite Frau und Managerin Sharon Osbourne. Zum Tod von Randy Rhoads schweigt Ozzy zumindest in der regulären Doku – seine emotionale Reaktion gibt es nur als Bonusmaterial. So bewegend die Worte des damaligen Bassisten Rudy Sarzo auch sind, die Facette des Protagonisten fehlt und hätte womöglich ein etwas anderes Bild gezeichnet, zumal es in weiterer Folge vor allem um Exzesse, Mordversuche, Fledermäuse und Tauben geht. Auch „The Osbournes“ werden als gefährliche Zeit erwähnt, wobei – durchaus verwunderlich – Ozzys schwerer Quad-Unfall mit anschließendem Koma nicht erwähnt wird. Der Abschnitt ist jedoch versöhnlich: Ozzy wird trocken – seit mittlerweile fünf Jahren – geistig ein wenig klarer und entwickelt sich mehr und mehr zu einem Vater und Großvater.
Vielleicht ist „God Bless Ozzy Osbourne“ genau das, was „The Osbournes“ für die Familie und vor allem die Kinder eigentlich hätte sein sollen: Therapie. Gerade die beschwerlichen, von Alkohol und Drogen durchzogenen Zeiten und die damit verbundene Abwesenheit einer Vaterfigur werden intensiv thematisiert, wobei die Musik nicht zu kurz kommt. Gewissermaßen ist es das „Some Kind Of Monster“ dieser Familie, die überlebt hat und stärker denn eh und je wirkt. Gerade das gemeinsame Interview von Vater und Sohn in der Bonus-Abteilung wirkt inspirierend und bewegend. Den Kindern hat immer eine Vaterfigur gefehlt – Worte, die letztendlich dafür gesorgt haben, dass Ozzy endgültig trocken wird und die auch gut in die Dokumentation gepasst hätten. Aber auch das restliche Bonusmaterial – ein missmutiger Prince of Darkness und ein hydraulischer Fernseher mit Tücken – ist absolut sehenswert.
Immer wieder hat man das Gefühl, dem Film würde etwas fehlen, womit man Jack Osbourne und Mike Fleiss jedoch ein wenig Unrecht tut. De facto ist es schwer, das ereignisreiche Leben Ozzy Osbournes in ein sehenswertes Format zu pressen – dafür gibt es die mehr als lesenswerte Autobiographie „I Am Ozzy“, ein emotionales Meisterwerk für Musikfreunde. Vielleicht wäre ein breiter gestreutes Bild interessanter gewesen, wobei die psychologische Ebene hervorragend abgedeckt wird. Sehenswert ist „God Bless Ozzy Osbourne“ allemal, für Jack Osbourne ist es ein starkes Debüt, das zu jeder Zeit authentisch und faszinierend wirkt, das Publikum ganz nahe an den Mann hinter den Mythos bringt. Im Rahmen des Tribeca Film Festival heißt es ja auch, dass es mehr um die Person als um den Mythos und den Musiker gehen soll, die Info auf der DVD bestätigt dies. Nimmt man sich diesem Streifen mit den richtigen Erwartungen an, ist er ein wahrer Hochgenuss, abgesehen davon ein interessanter Einblick, die das Lesen besagter Biographie erst recht lohnenswert macht.
VÖ: 11.11.2011
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