Everything Everything – Arc

Everything Everything

Was 2010 mit einem Platz auf der „BBC Sound of…“-Longlist begann, manifestiert sich mehr und mehr zu einem Spielplatz für experimentelle Indie-Spezialisten mit einem Hang zu großen Melodien und geht mit dem konsequenten Umschiffen von Genre-Schubladen einher. Auch wenn in der britischen Heimat eine Top 20-Platzierung und eine Mercury Prize-Nominierung für ihr Debütalbum „Man Alive“ zu Buche stehen, sind Everything Everything in Deutschland längst noch nicht angekommen. Zumindest musikalische Gründe kann dies nicht haben, denn mit ihrer zweiten Platte „Arc“ übertrifft sich das Quartett aus Manchester mal eben ganz locker selbst.

Die beiden ersten Singles eröffnen das Album etatmäßig. „Cough Cough“ überzeugte bereits Mitte Oktober als kompromissloser Indie-Electro-Pop-Bastard mit smoothem Abgang und infektiösem Beat. „Kemosabe“ hingegen kommt erst nach mehreren Durchläufen in Fahrt, was nicht nur am auf diesem Album omipräsenten Falsettgesang, sondern auch am geradezu transluzenten Refrain liegt. Unbeschwerte, betont elektronische, verspielte Hits haben die Briten gleich mehrere am Start, im Speziellen „Armourland“, das hymnische Gitarrenpop-Stück „Radiant“ und das butterweiche „Duet“, von dem sich auch Imagine Dragons oder fun. eine Scheibe abschneiden dürfen.

Gelegentlich rücken Everything Everything ihre Gitarren in den Vordergrund und fröhnen ihrer offensichtlichen Vorliebe für Radiohead. Jonathan Higgs wandelt im aufwühlenden „Undrowned“ auf Thom Yorkes Pfaden, „Torso Of The Week“ verschmilzt beide Welten einigermaßen und zeigt Muse damit, wohin der Weg für sie gehen könnte, würden sie ihren übertriebenen Pop aus dem Stadion herauskarren. Aber auch die Harmonien in „Feet For Hands“ hätten auf „In Rainbows“ funktioniert. Dass Everything Everything nur wenige Sekunden später die Biege gen verspieltem Math-Pop machen, passt gewissermaßen ins Bild, ebenso die kurze Passagen mit ’normaler‘, tiefer Stimme. Linear und berechenbar dürfen andere Bands sein, hier ist das Experiment Mittel zum Zweck.

Es soll jedoch kein falscher Eindruck entstehen: Andersartigkeit dient nicht etwa der Andersartigkeit zuliebe, sie ergibt sich organisch aus dem Schaffen der vier Jungs aus Manchester. Tatsächlich lässt sich „Arc“, auch wenn es noch mehr ‚Hits‘ gibt als auf dem Vorgänger, schwer kategorisieren, gerade was den Spagat zwischen elektronischem Math-Pop auf der einem und leidenschaftlichem, hochgradig emotionalen Radiohead-Rock auf der anderen Seite betrifft. Langeweile lassen Everything Everything erst gar nicht aufkommen und führen den Hörer auf eine Reise durch die Herausforderungen und Prüfungen alternativer Musik, die sich erst nach mehreren Durchläufen einigermaßen erschließen. Wie schon auf dem Debüt wird die Arbeit zum Vergnügen.

Everything Everything

Arc
VÖ: 25.01.2013
RCA Records (Sony Music)

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