Yard Act – Where’s My Utopia?
Mit einem kurzweiligen ersten Album, das sofort aus Post-Punk-Sphären auszubrechen versuchte, sorgten Yard Act vor zwei Jahren für Furore. Platz 2 in den britischen Album-Charts und eine Mercury-Prize-Nominierung für „The Overload“, zudem umjubelte Shows – das war schon mal nicht schlecht. Musikalisch möchte man allerdings tunlichst nicht auf der Stelle treten und lässt nun ganz offen die Liebe zu vielen anderen Klängen einfließen. Gemeinsam mit Remi Kabaka Jr. (Percussionist und Producer der Gorillaz) gebastelt, wagt „Where’s My Utopia?“ in so ziemlich jeder Hinsicht einen spannenden Sprung nach vorne.
Wie weit man musikalisch gekommen ist, zeigen wohl die beiden abschließenden Tracks am besten. Da wäre zunächst „Blackpool Illuminations“, ein über sieben Minuten langer Stream of Consciousness mit kondensiertem Storytelling inklusive Twist. Der flüsternde Sprechgesang, der prominente Bass und dezente Afrobeat-Elemente im Hintergrund bringen Fela Kuti und The Streets zusammen, während die unorthodoxe Präsentation regelrecht einlullt. Danach gibt sich „A Vineyard For The North“ poppig bis tanzbar, klingt nach britischen Club-Hits um den Jahrtausendwechsel und doch unverwechselbar nach Yard Act. Die furiose Schlussminute zählt zu den besten Momenten der gesamten Platte.
Und die hat noch so viele weitere Schönheiten zu bieten. „We Make Hits“ knüpft recht deutlich an den Vorgänger an, rückt das ureigene Post-Punk-Verständnis in den Mittelpunkt und bedient sich zudem beherzt bei den Sleaford Mods – eine schräge, hypnotisierende Tour de Force der verstörenden Art. Wenn in „Fizzy Fish“ schräge Gitarren-Licks und – ja, wirklich – beateske Gorillaz-Weirdness zusammenfinden, ist erst einmal alles seltsam. Kabakas Einfluss wird besonders deutlich, und doch ist die schräge Mixtur ein echter Hit. Das gilt auch für das Understatement von „An Illusion“ mit erstaunlich beseelten Vocals oder das pulsierende, hibbelige „Dream Job“, das Post-Punk-Reste mit Disco-Streichern verbindet. Eigentlich sollte das nicht funktionieren, weiß aber zu unterhalten.
Gewissermaßen ist das die Überschrift für diesen Zweitling, der massig Zeug, das sich zumindest auf den ersten Blick widersprechen sollte, in einen überdimensionalen Topf klopft und dann den Philosophen gibt. Yard Act verabschieden sich zwar nicht gänzlich vom Sound des Einstands, doch ist dieser inzwischen eben eine Zutat unter vielen. „Where’s My Utopia?“ wagt viel und gewinnt, auch wenn die Einstiegshürde dieses Mal deutlich höher liegt. Die poppigen Untertöne, die Elektronik, der weiter ausufernde Sprechgesang, das blutende Herz des Lyrikers … all das findet letztlich doch zusammen, sofern man willens ist, sich auf den charmanten Wahnsinn einzulassen. Yard Act wachsen erneut.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 01.03.2024
Erhältlich über: Island Records (Universal Music)
Website: www.yardactors.com
Facebook: www.facebook.com/YardActBand