Ólafur Arnalds – For Now I Am Winter
Als Posterboy der modernen Klassiker ist der Isländer Ólafur Arnalds mittlerweile in aller Munde. Der 26jährige ist ein Arbeitstier, nimmt schon mal Songs innerhalb von einem Tag vor einem Live-Publikum auf und bietet diese Sessions – siehe beispielsweise seine hervorragenden „Living Room Songs“ – zum sofortigen Download an. Ebenso wird seine Mischung aus Klassik und minimalistischer Elektronik immer wieder auf Soundtracks eingesetzt – aktuell für die britische Serie „Broadchurch“, in der Vergangenheit unter anderem für den Film „Another Happy Day“. Nach dem Electro-Ausflug mit Kiasmos hat Arnalds nun einen Major-Partner an seiner Seite und veröffentlicht „For Now I Am Winter“, sein bislang vielleicht bestes Album.
Zumeist arrangiert Arnalds seine Stücke instrumental, gibt sich betont schlicht und fragil. Ein „We (Too) Shall Rest“, fast ausschließlich von allein in einem großen, beinahe leeren Raum stehenden Streichern getragen, überwältigt in seiner Schlichtheit förmlich, während „Brim“ das andere Extrem dieses Album veranschaulicht. Ungewöhnlich lebhafte Beats und dramatische Streicher treffen auf Arnalds‘ losgelöstes Keyboard, wirken verstörend, beinahe tanzbar. Ambient-Magie und ein wenig Weltschmerz liegen in der Luft, wenn sich „Only The Winds“ seinem Schicksal ergibt, getragen von klassischen Motiven und ungeschönter Melancholie. Für vier Songs lud sich der Isländer seinen Landsmann Arnór Dan Arnársson von Agent Fresco ins Studio ein, um ein paar Vocals zu liefern. Besonders stark: „Old Skin“, zu dem es auch ein Video gibt, verhaltene Gitarren des renommierten Produzenten Pétur Jónsson inklusive. Das fragile „A Stutter“ ist seine Spielwiese, „Reclaim“ eine kauzig-beateske Bühne, der Titeltrack eine echte Herausforderung.
So gut der Gesang auch ist, er wird zum bloßen Nebenschauplatz, zu einem weiteren Instrument im Repertoire Ólafur Arnalds, der natürlich seine Mitstreiter koordiniert und gleichermaßen überstrahlt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Geradezu schüchtern wirken seine Passagen, als würde er sich unsichtbar machen wollen. Vielleicht ist es aber auch gerade dieses Understatement, das die Magie von „For Now I Am Winter“ ausmacht. Mit dem einsetzenden Frühling kämpft der Isländer, bäumt sich vorsichtig auf, lässt ein wenig Schnee auf die ersten Knospen fallen und beobachtet – distanziert und doch agitiert – die Sonnenstrahlen, die sich vorerst durchsetzen. Gleichzeitig weiß Arnalds, dass sein Winter wieder kommen wird, dass der zarte, eisige Hauch erneut über das Land fahren und die Nächte zu einem klirrend kalten Idyll, zu einer Tanzfläche für Schneekristalle gefrieren lassen wird. Ein wahrlich großes Album, ein Kunstgriff in die Seele eines faszinierenden Künstlers.
For Now I Am Winter
VÖ: 22.03.2013
Mercury Classics (Universal Music)
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