Die Sterne – Flucht in die Flucht
Raus aus der Disco, rein in die Realität: Die Sterne haben ihre intensive Affäre mit dem Club von „24/7“ beendet und kehren zurück zu alten Ufern. Mehr als vier Jahre nach der buntesten Platte der mehr als zwei Dekaden andauernden Bandgeschichte kehren Frank Spilker, Thomas Wenzel und der in Berlin lebende Christoph Leich zurück in den Hamburger Hafen. Unabhängig davon, wie man zum mutigen Vorgänger steht: „Flucht in die Flucht“ fühlt sich wie Heimat an.
Im Herzen dieser Platte tummelt sich „Innenstadt Illusionen“, ein inhaltlicher Nachfolger von „Convenience Shop“. Spilker spricht zu einem Hauch von Instrumentierung, während Damenstimmen im Hintergrund immer und immer wieder den Songtitel wiederholen – eine Dystopie der Orientierungslosigkeit, ein Stream of Consciousness, ein „15 Storeys High“ für das urbane Deutschland. Krasses Gegenstück und doch letztlich im näheren Dunstkreis: das gespenstische „Ihr wollt mich töten“. Gewohnt schroffer, lakonischer Duettpartner: Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten, entscheidendes Puzzleteil der Ost-Karglandschaft.
‚Konventionellere‘ Tracks gefällig? „Flucht in die Flucht“ wirkt stellenweise wie eine Greatest Hits-Platte mit neuem Material. Die höllische Abfahrt von „Wo soll ich hingehen?“ mit krautigem Mittelteil, der vorwitzige Popper von Titelstück und der alles umarmende Quasi-Refrain, der sich aus dem Schaffen des großartigen „Mein Sonnenschirm umspannt die Welt“ erhebt, stehen ab sofort auf der Wunschliste für die kommende Tour. Nicht minder sympathisch: das hibbelige Fragment „Mach mich vom Acker“ und das verquere, leicht vertrackte „Drei Akkorde“.
Innerhalb einer Dreiviertelstunde reisen Die Sterne quer durch ganz Deutschland und sämtliche Jahreszeiten. „Flucht in die Flucht“ ist kalt- wie warmherzig, alles umarmend wie abstoßend – ein Potpourri sämtlicher Sterne-Stärken und eine Rückkehr zum Verweilen. Das zehnte Album fließt angenehm, hat seinen Finger fest am Puls der Zeit und feiert die Rückkehr zum Klassiker-Charme. So interessant es gewesen wäre, weitere „24/7“-Ideen zu hören, so unterhaltsam ist diese Heimreise letztlich geworden.
Flucht in die Flucht
VÖ: 29.08.2014
Staatsakt (Rough Trade Distribution)
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