Cursive – Vitriola

Cursive

Die bislang längste musikalische Dürreperiode in der gut zwei Jahrzehnte andauernden Bandgeschichte von Cursive ist vorbei: Stolze sechs Jahre vergingen seit „I Am Gemini“. Die Band aus Omaha, Nebraska war aber weiterhin aktiv, u.a. veröffentliche Tim Kasher mehrere Soloalben. Nun, erstmals seit „Happy Hollow“ 2006, arbeitet man wieder mit Saddle Creek-Ikone Mike Mogis zusammen, außerdem ist Schlagzeuger und Gründungsmitglied Clint Schnase zurück an Bord. „Vitriola“ zeigt das Quartett von seiner besten Seite mit dem vielleicht stärksten Album seit 15 Jahren.

Natürlich setzen Cursive abermals auf schroffe Konzeptkunst, wenn auch deutlich widerspenstiger als zuletzt: „Vitriola“ widmet sich existenzialistischen Themen mit verzweifelter und nihilistischer Note. „Ist das alles?“, scheint die stete Frage zu sein, und diese wird in jedem der zehn Tracks beängstigend perfekt auf den Punkt gebracht. Da wäre beispielsweise „Ouroboros“, der geschickt zur Albummitte platzierte Sechsminüter. Zu gewohnt abgefuckten Tönen – Post-Hardcore, Alternative und eine Prise Emo sind wieder voll da – rechnet die Band gnadenlos mit sozialen und politischen Themen ab, torpediert Filterblasen und Technologieabhängigkeit. Selten haben kaputte Dissonanzen und hymnische Verzweiflung so sehr zusammengepasst wie in dieser Monstrosität.

Darf es eine Spur geradliniger sein? Dann ist Cursive die falsche Band, aber natürlich schleichen sich immer wieder herrlich eingängige Momente ein. „Life Savings“ kollidiert immer wieder mit Streichern und Piano-Pop, nur um im nächsten Momenten an den Toren zum Noise-Kollaps anzuklopfen. „Under The Rainbow“ kokettiert mit gewohnt düsterer, emotional aufgeladender Note und findet doch immer wieder zu fatalistischer Eingängigkeit zurück. Ähnliches gilt für den düsteren, auf eine herrliche Explosion zuarbeitenden Opener „Free To Be Or Not To Be You And Me“, das verkappt poppige und doch so launische „Everending“, oder die ellenlangen Sinnsuchen von „It’s Gonna Hurt“ und „Noble Soldier / Dystopian Lament“.

Im Prinzip könnte hier jeder einzelne Song aufgelistet werden, so stark ist „Vitriola“ von vorne bis hinten. Cursives Herangehensweise an alles andere als klassisches Songwriting schafft Lücken und Leerstellen, die im Kopf des Hörers weitergedacht werden – mit kleinen Explosionen, mit schroffen Gitarrenwänden, mit säuselnder Hoffnungslosigkeit, mit kompletter Selbstaufgabe. Eben all das, was in so ziemlich jeder Note mitschwingt. Es ist die beste Platte seit „The Ugly Organ“ geworden, ein Mini-Comeback von epischen Ausmaßen einer der wichtigsten Post-Hardcore-Bands der letzten 20 Jahre. „Vitriola“ hat jedes bisschen Liebe, Aufmerksamkeit und fatalistischen Nihilismus verdient.

Cursive - Vitriola

Vitriola
VÖ: 05.10.2018
Big Scary Monsters (AL!VE)

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