Charly Bliss – Young Enough

Charly Bliss
(c) Ebru Yildiz

Vor zwei Jahren schlugen Charly Bliss, scheins aus dem Nirgendwo, mit dem poppig-punkigen Nackenschlag „Guppy“ auf und setzten Stoßwellen frei. Eva Hendricks‘ glockenheller Gesang, von scharfkantigen Gitarren umgarnt, war ein Happening für sich. Auf dem Zweitling „Young Enough“ schwimmen sich die New Yorker mehrfach frei. Einerseits setzen sie neue musikalische Akzente, andererseits rechnet Hendricks mit einer missbrauchenden Beziehung ab, richtet ein überdimensionales ‚Fuck you!‘ an den Ex und richtet sich in einem Kraftakt wieder auf.

Herzstück der Platte ist „Chatroom“, dem man den überaus ernsten Hintergrund nicht anhört. Hendricks erklärt, wie sie einen schwerwiegenden sexuellen Übergriff überstand und alle Wut in ein euphorisches Hoch kanalisierte. Der frontale Midtempo-Rocker mit bissiger Hookline und poppigem Refrain ist Abrechnung und Kraftprobe zugleich, zeugt von einer starken Person und zugleich filigranerem Songwriting. Das zeigt sich unter anderem auch im eröffnenden „Blown To Bits“, dessen beinahe meditativen Untertöne geschickt auf scharfkantige Gitarren und kleinere Punk-Salven hinarbeiten.

Auf besagtes Powerhouse folgt Understatement pur. „Capacity“ flirtet mit verspieltem Gitarrenpop, gibt sich zuckersüß und lässt doch ein paar Stahlkanten durchschimmern. Ein ähnliches Konzept scheint zunächst auch der Titelsong „Young Enough“ zu verfolgen, bevor der verdammte Song immer länger wird und zu pumpenden Drumsalven das (Über-)Leben feiert. Freunde knackiger Gitarren und kurzweiliger Pop-Punk-Spitzen können sich auf „Hard To Believe“ verständigen, gehen zu „Under You“ in Angriffsposition und drängen mit „Bleach“ sogar ein klein wenig ins (Alternative-)Radio.

Zu Beginn der Songwriting-Sessions befürchteten die New Yorker noch, sich nicht vom Sound ihres Debüts lösen zu können. Tatsächlich bleiben die Anknüpfungspunkte überschaubar. Ja, so manches Riff, so manche Hook hätte auch auf „Guppy“ funktionieren können, und doch ist „Young Enough“ sein eigenes Biest, ein sympathischer Überflieger mit mehr Melodien, mehr Midtempo und mehr Kanten. Charly Bliss zeigen sich deutlich verbessert hinsichtlich Songwriting und Selbstbewusstsein – ein erfrischender Schritt in die richtige Richtung mit Nachdruck und einer mehr als beeindruckenden Frontfrau.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 10.05.2019
Erhältlich über: Lucky Number Music (Rough Trade)

Charly Bliss @ Facebook
„Young Enough“ @ Amazon kaufen