Sufjan Stevens – Javelin

Sufjan Stevens
(c) Sufjan Stevens

Erstmals seit drei Jahren meldet sich Sufjan Stevens mit einem Soloalbum zurück. Seine letzte Singer/Songwriter-Platte ist sogar noch länger her, wobei es dieses Mal dennoch nicht so ganz puristisch vor sich geht. Auf dem neuesten, überwiegend zuhause aufgenommenen Streich werden die Dinge recht persönlich angegangen, begleitet von zahlreichen Gästen aus dem Freundeskreis und einem Sound, der wie ein kunstvoller und zugleich intimer Streifzug durch das illustre Schaffen des Detroiters wirkt. „Javelin“ tankt sich durch Stevens‘ 25jährige Karriere mit frischen Impulsen.

„Shit Talk“ zählt gewiss zu den zentralen Stücken des Albums, wenngleich weit hinten versteckt. In über acht Minuten, von Bryce Dessner (The National) an akustischer und elektrischer Gitarre unterstützt, schwimmt sich der Protagonist frei. Die Art und Weise, wie aus anfangs reduzierten Ideen ein überlebensgroßer Track entsteht, der unter Hinzunahme zarter Elektronik anschwillt und auf feinsinnige Katharsis zusteuert, ist großes Kino. Auch „Will Anybody Ever Love Me?“ versteht es, große Gefühle aus kleinen Weisheiten entstehen zu lassen, und schüttelt im Vorbeigehen eine der besten Pop-Weisheiten der gesamten Platte aus dem Ärmel.

„So You Are Tired“, stellt Stevens an anderer Stelle fort, führt das Geschehen zurück zu seinen Singer/Songwriter-Wurzeln, während sich immer wieder stimmliche, choral angehauchte Magie aus dem Unsichtbaren erhebt. Im abschließenden „There’s A World“ bleibt es ruhig, fast schon folkig, von feinsten Chamber-Ansätzen umgarnt. Neil Young lässt grüßen – im wahrsten Sinne des Wortes, schrieb er doch diese mystische Weisheit. Donnernde und doch zaghafte Beat-Elemente bäumen sich im süßlichen „Genuflecting Ghost“ auf und entführen eine bezaubernde Melodie in ungeahnte Weiten, bevor die Elektronik lauter und lauter wird, einen faszinierenden Gegenpol liefert.

Wie eine Werkschau mit frischer Musik, so gibt sich der neueste Solo-Exkurs von Sufjan Stevens. Die Rückkehr zu feinsinnigen Singer/Songwriter-Klängen, die nach wie vor präsente Elektronik, die sehr persönliche Färbung – im Prinzip trifft hier zusammen, was zusammengehört, gekonnt dosiert und von atemberaubender Schönheit. „Javelin“ zeigt den 48jährigen in bestechender Form, geht unter die Haut und bietet hohen Unterhaltungswert. Bloß mit einer Tour ist in nächster Zeit nicht zu rechnen, da Stevens sich von den schweren Nachwirkungne des Guillain-Barré-Syndroms erholt. Auf dass er bald wieder in voll gesundeter Bestform zurückkehren möge.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 06.10.2023
Erhältlich über: Asthmatic Kitty Records (Cargo Records)

Website: sufjan.com
Facebook: www.facebook.com/SufjanStevens001