Tourette Boys – Zorn

Tourette Boys
(c) Tourette Boys

Psychedelische Gitarrenmusik ist wie eine Traumreise ohne Anfang und ohne Ende. Scheinbar von jeglichen zeitlichen und räumlichen Sphären losgelöst, treibt sie durch die Suche nach dem ultimativen Crescendo mit großen Gefühlen und noch besseren Arrangements. Hier treten Tourette Boys auf den Plan. Das Trio aus Dresden und Berlin lässt sich musikalisch im besten Sinne treiben, geht dabei aber alles andere als planlos vor. Ihr Blues-getränktes neues Album „Zorn“ erweist sich als kleine Offenbarung.

Die erwartete große Explosion bleibt aus, fehlt aber auch nicht. Stattdessen mäandern die Songs unaufhörlich, begleitet von Benjamin Butters angenehm aufrüttelndem Gesang, der für sich wie ein eigenes Instrument anmutet. Bereits das eröffnende „Psychedelic Summoning“ ist ganz großes Kino, ein Jam zu einem simplen Riff, in mehrere Loops zerhackt, unaufhörlich flackernd und sich konstant weiter intensivierend. Der Track könnte auch problemlos 20, vielleicht sogar 30 Minuten laufen – ein fantastisch luftiger Cut, dem mit „Evil“ ein verschwitzter Blues-Rocker gegenübersteht. Auch hier sorgen kleinere Variationen und Improvisationen über einem gängigen Leitmotiv für Intensität, gerade in den letzten 90 Sekunden.

Und dann ist da noch „Wandern“, der ebenfalls überlange Rausschmeißer. Hier fehlt zwar der Druck eines „Evil“, dafür geht der Kontrast aus federnder Leichtigkeit und bissigen Klangwellen mit psychedelischen Drone-Untertönen unter die Haut. Tourette Boys singen sich zur nölenden Slide-Gitarre in eine Art Trance. Wer hingegen eher auf Heavyness aus ist und die Regler gerne auf Elf dreht, lässt sich vom gleichermaßen eingängigen wie bärbeißigen „Colossus“ mitreißen.

41 bärenstarke Minuten und kein Gramm Fett zu viel: Wer die bisherigen Platten der Tourette Boys mochte, wird „Zorn“ lieben. Das Genre-Bending zwischen Blues und Psychedelic Rock vereint zudem musikalische Lager, öffnet Scheuklappen und erschließt neue Welten. „Zorn“ ist eines jener Alben, das unbedingt laut aufgedreht werden möchte – am besten mit Kopfhörern – um bei geschlossenen Augen auf eine Reise ins Innerste zu gehen. Es ist der bislang beste Trip des Trios, und in dieser Form hoffentlich noch lange nicht der letzte.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 10.05.2019
Erhältlich über: Eigenvertrieb

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