Ötzi – Storm

Ötzi
(c) Kevin Brown

Mit Assoziationen ist es so eine Sache. Der Name Ötzi erzeugt in diesen Breitengraden Bilder eines urzeitlichen, aus dem ewigen Eis gefallenen Relikts… oder einer über 5000 Jahre alten Gletschermumie. Die gleichnamige Band aus Oakland, Kalifornien versucht dies zu ändern. Irgendwo zwischen Post Punk und Punk Rock angesiedelt, bewegen sich die Damen an den Grenzen beider Genres – mal schroff und vogelwild, dann wieder verspielt und mit unorthodoxer Instrumentierung flirtend. „Storm“ ist bereits ihr zweites Album, und der Name ist Programm.

Die Hitdichte dieser Platte ist erstaunlich hoch. Da wäre beispielsweise „Hold Still“, dessen abgehangenes Riff von der ersten Sekunde an mitreißt, später von Akiko Sampsons nicht minder packender Gesangsmelodie im kompakten wie hymnischen Refrain wunderbar verdichtet. Es passiert herzlich wenig, doch funktioniert die Reduktion prima. „Ballad Of Oiwa“ legt ebenfalls unscheinbar los, nur um urplötzlich gegen Windmühlen anzuschreien. Die angedeutete Tempoverschärfung bleibt aus, ein kleiner tonaler Shift reicht, um durch die Decke zu gehen und dennoch auf Sparflamme zu operieren.

Eigentlich passiert in diesen zehn Songs recht wenig, und doch reicht gerade dieser Minimalismus der Dinge, um wiederholt zu explodieren. Da wäre beispielsweise das hektische, hibbelige „Scorpio“. Während sich die Band zur Ekstase samt Überschlag pusht, packt Neuzugang und Multi-Instrumentalisten Winter Zora das Saxophon für einen abgedrehten Mindfuck aus. An anderer Stelle, im abschließenden Titelsong, versumpft man gekonnt zu endlosen Synth-Nebelschwaden mit kräftigen 80s-Referenzen. Der High-Speed-Düsterbolzen „Eight Cups“ grüßt mal eben Wailin‘ Storms, „Contagious“ nimmt die Punk-Ursuppe mit und „15 Stars“ torpediert das Langformat mit kondensiertem Unwohlsein.

In 34 rasanten, energiegeladenen Minuten tanken sich Ötzi durch einen absoluten Leckerbissen. „Storm“ ist genau das, ein Sturm ohne Wasserglas, eine hektische, hibbelige und doch überaus eingängige Melange verschiedenster Punk-Spielarten samt omnipräsenter Düsternis. Hier braut sich im wahrsten Sinne des Wortes was zusammen, denn zwischen Vollsprint, ominöser Gesten und charmantem Augenzwinkern legen Ötzi den Grundstein für eine willkommen finstere Zukunft. Besser kann man den Sommer nicht begrüßen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 22.05.2020
Erhältlich über: Artoffact Records (Cargo Records)

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