Lester – Die beste aller Zeiten

Lester
(c) Martin Wilecki

Raus aus der Tristesse eines absoluten Mistjahres, vorbei am Stillstand und hin zur Hoffnung auf Glück, auf bessere Tage: Lester liefern die Antithese zu Pein und Pandemie mit zehn Songs zwischen Punk, Indie und 90s-Emo. Was auf dem Debütalbum der vier Münchner bereits recht gut funktionierte, wird nun kultiviert: Mit einem neuen Label im Rücken versucht „Die beste aller Zeiten“ ein Meer aus geplatzten Träumen vergessen zu machen.

Einer der Standouts eröffnet diesen Zweitling. „Detox in Detroit“ bringen das intensive Lester-Erlebnis in knapp dreieinhalb Minuten auf den Punkt. Scharfkantiger Punk mit melancholischer Sehnsuchtsnote und greifbarer Emotionalität zuckt heftig. Alles steuert auf einen mächtigen Refrain hin, der sich allerdings nicht ganz so wild entlädt wie erwartet. Dieses Hymnische und doch Zurückgenommene brennt sich dafür ein. Stark ist auch die erste Single „Kreidekreisel“ geworden, ein herrlich launischer Track mit wildem Biss und harmoniebedürftigem Kanten-Appeal. Leicht mythologische Züge im Hauptteil bügeln die besungenen Fehler in der Logikkette gekonnt aus.

Je länger dieses Album dauert, desto besser wird es. Die getragenen Töne von „Pagodenburg“ wecken natürlich Erinnerungen an Turbostaat und Captain Planet – vielleicht nicht so sehr auf Anschlag getrimmt, dafür aber betont sympathisch. Wie etwaige Sympathien verteilt sind, erläutert „Halt dein Maul“ recht deutlich. Lester holen zum Rundumschlag gegen Kommerzpunks ohne Szene-Ethos und Haltung aus. Der eigentümliche Rhythmus und die fiesen, aggressiven Strophen packen zu. Genau das tut auch der „Fickersticker“, bloß als gewaltige Hymne. Hier kommen die Emo-Referenzen deutlich durch und kreieren einen mitreißenden, herrlich launischen Refrain.

Natürlich weckt „Die beste aller Zeiten“ allerlei vertraute Erinnerungen, die jedoch einen frischen, eigenen Sound ergeben – die Summe der einzelnen Teile klappt eben nicht nur bei Kante hervorragend. Lester schreiben schlicht und ergreifend richtig gute Songs, welche weit über etatmäßige Punk-Erwartungen hinausgehen und durchaus etwas zu sagen haben. Kein Blatt vor dem Mund, keine falsche Bescheidenheit, dafür pointierter und schon mal hymnischer Charme – es ist eben doch eine gute Zeit, zumindest für packende Musik.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 30.10.2020
Erhältlich über: Crestwood Records / Loud Media (Warner Music)

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