Mourn – Self Worth

Mourn
(c) Cristian Colomer Cavallari

Ein Frühjahr, das so schnell niemand vergessen wird: Von der grassierenden Pandemie ganz abgesehen, hatten Mourn plötzlich mit internen Problemen zu kämpfen. Die Gruppendynamik stimmte nicht mehr, Drummer Antonio Postius verließ schließlich die Band. Die Katalanen befreiten sich von diesen Missetönen und zogen sich für eine knappe Woche in ein kleines Haus in den Pyrenäen zurück, um neue Songs zu schreiben. Zurück in der Heimat, mit einem neuen Drummer, fand man den Teamspirit schnell wieder und nahm neue Musik auf. Mit „Self Worth“ halten Mourn ihren Zwei-Jahres-Rhythmus und servieren eine waschechte Empowerment-Platte.

Als hätte es diese personelle wie menschliche Durststrecke nicht gegeben, kultivieren die Spanier*innen weiterhin ihren kantigen 90s-Sound mit Indie-, Alternative-, Punk- und Riot Grrrl-Charme. Gewiss zeigt „Men“ das neue Selbstbewusstsein am deutlichsten. Die Sängerinnen Jazz Rodríguez und Carla Pérez Vas setzten sich im Vorfeld mit Feminismus auseinander und singen nun darüber. Der angenehm unbequeme und doch eingängige Track – ein herrliches Sammelsurium an 90s-Alternative-Sounds mit schroffer Note – bleibt sofort hängen. Das lässige, schräge „House Hold“ brennt sich ebenfalls ein. Mit Mut zu unsauberen Tönen bewegt sich das Quartett in schiefe, atonale Gefilde, was sich tatsächlich einbrennt.

Eingängiger ist da schon der Opener „This Feeling Is Disgusting“. In etwas mehr als zwei Minuten geht es durch angepunkte Sounds, hymnisch und laut, richtig schön harmonisch. Mourn geben weiterhin Gas und gehen schon mal dorthin, wo es wehtut. Das unbequeme „I’m In Trouble“ serviert frühe Sleater-Kinney als Beilage, „It’s A Frog’s World“ wird mit fortlaufender Spieldauer immer lauter und überdrehter, und „Stay There“ beginnt sogar im Auge des Noise-Sturms. Nachgelassen wird zu keiner Zeit, und das ist sympathisch. In „Apathy“ schlägt das sogar beinahe in Hardcore Punk um, wenn die Stellschrauben in der zweiten Hälfte angezogen werden.

„Self Worth“ ist Empowerment, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung in Reinkultur, und verdient sich jedes Gramm Applaus redlich. Mit neuer Ausgeglichenheit – musikalisch natürlich nicht zu hören, glücklicherweise! – mehr interner Harmonie und lyrischer Direktheit zeigen sich Mourn abermals von ihrer besten Seite, vielleicht sogar noch eine Spur lauter und druckvoller. So schön, so erfrischend kann kantiges Chaos klingen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 30.10.2020
Erhältlich über: Captured Tracks (Cargo Records)

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