Shame – Drunk Tank Pink

Shame
(c) Sam Gregg

Vor ziemlich exakt drei Jahren schlugen Shame erstmals auf mit ihrem kurzweiligen Mix aus kauziger Aggression und tanzbarem Fatalismus. Der Einstand „Songs Of Praise“ bediente sich großzügig bei allerlei Post-Punk-Pionieren und kreierte dabei dennoch etwas komplett Eigenständiges. Seit ihrer Gründung tourten die Briten beinahe ununterbrochen, wurden im Frühjahr 2020 allerdings aus pandemischen Gründen jäh ausgebremst. Diese neue Realität, gepaart mit Frontmann Charlie Steens Psychose, drückte Shame zunächst an den Rand des Erträglichen, nur um schließlich eine kreative Explosion auszulösen. Das Ergebnis hört auf den Namen „Drunk Tank Pink“ und wagt sich weiter hinaus als sein Vorgänger.

Zumindest anfangs ist von dieser ersten Orientierungslosigkeit und dem Beinahe-Zusammenbruch nichts zu hören, denn „Alphabet“ eröffnet den Zweitling mit wilder, nervöser Energie und hitverdächtigen Punchlines – quasi eine erweiterte Fortsetzung des Debütalbums. In knapp drei Minuten setzt es hibbelige Aufbruchsstimmung mit einer gesunden Portion Chaos. Das tanzbare „Nigel Hitter“ knüpft entspannt daran an, bringt ein wenig 80s-Wave-Einschlag mit und erinnert in seltenen Momenten sogar an Field Music. Das peitschende, finstere „6/1“ und das um eine gewaltige Zäsur arrangierte „March Day“ machen dort weiter.

Hört man etwas genauer hin, scheint dieses Album komplexer und komplexer zu werden. Das gipfelt unweigerlich im abschließenden „Station Wagon“, eine schier endlose Meditation über nervösem Spannungsaufbau und schroffen Noise-Kaskaden. „Born In Luton“ trägt deutlich mehr Indie-Charme in sich als zuletzt, deutet im Refrain einen kurzen Editors-Absprung ab und kleidet komplette Niedergeschlagenheit in dicke Gitarrenwände. Diese greift später „Snow Day“ auf und entlädt sich mit drastischen Gesten. Steens ominöser, pointiert eingesetzter Sprechgesang geht unter die Haut, die ungezügelten Ausritte machen Laune. Schließlich krönt „Great Dog“ diese Platte in unter zwei Minuten und bewegt sich so nahe wie nie an klassischen Punk-Konzepten.

Unter den gegebenen Voraussetzungen hätten Shame eigentlich an der Hürde des schweren zweiten Albums scheitern müssen, doch legen sie stattdessen eine ungeahnte, mitreißende, aufwühlende Leistungsexplosion der anderen Art hin. „Drunk Tank Pink“ geht nicht auf Nummer Sicher, verabschiedet aber ebenso wenig von jenen surrealistischen Post-Punk-Großtaten, welche das Debüt durch die Decke gingen ließen. Evolution in Maßen und der Finger in der eitrigen Wunde nihilistischer Tanzbarkeit konsolidieren die kurzweiligen Briten auf erhofft hohem Niveau.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 15.01.2021
Erhältlich über: Dead Oceans (Cargo Records)

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