Masha Qrella – Woanders

Masha Qrella
(c) Diana Näcke

Der Roman „Ab jetzt ist Ruhe“ ließ Masha Qrella den 2001 verstorbenen Schrifsteller, Dramatiker und Regisseur Thomas Brasch entdecken. Die Auseinandersetzung mit seinen Gedichten brachte gebannte Inspiration mit sich, die in besagtem Buch geschilderte persönliche Sicht Braschs Schwester Marion schaffte frische Perspektiven und ermutigte Qrella zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Ostidentität. Bereits im Dezember 2019 führte sie gemeinsam mit Schlagzeug-Veteran Chris Imler und Multi-Instrumentalist Andreas Bonkowski sowie einigen ausgewählten Gästen 17 Songs auf, nun gibt es die passende Studioversion als „Woanders“.

Musikalisch bewegen sich diese Interpretationen in einem bewusst ausladenden Spektrum an Klängen, die mitunter Qrellas komplette Karriere abdecken. Der Post Punk ihrer frühen Band-Leben ist am Start, ein Hauch von Indie und Pop, ebenso brodelnde Elektronik. „Blaudunkel“ bringt diese Mischung gar exzellent auf den Punkt zwischen gemächlichem Blubbern, post-romantischen Untertönen und schrill aufheulender Gitarre als Ablenkungsmanöver. Und dann ist da noch die weiche, bewegende Stimme einer bestens aufgelegten Protagonisten. In „Märchen“ kommt Marion Brasch selbst zum Einsatz und liest zu Klängen des Elektro-Duos Tarwater – ungewöhnlich, reduziert und doch so begeisternd.

Apropros Gäste: Dirk von Lowtzow mischt mit wachsender Begeisterung mit. Der Tocotronic-Sänger zelebriert ein zauberhaftes Duett mit Masha Qrella, einfach und zugleich bewegend. Andreas Spechtl (Ja, Panik) tritt im Stomper „Maschinen“ auf, der Post-Punk-Ansätze mit einem feinen Hauch von Disco-Magie vermischt. Das dürfte eigentlich nicht funktionieren, brennt sich aber ebenso ein wie das lebhafte, anspruchsvolle „Straßen“. Zwischen Schnellfeuer-Versen und ausladenden Klangflächen ergibt sich ein kurioser, mitreißender Spagat. An anderer Stelle erhöht „Geister“ die Schlagzahl mit pumpenden Sounds, die fast schon in Richtung Dance-Pop gehen.

„Woanders“ ist wunderschön geworden, und zwar in jeder Hinsicht. Thomas Braschs Gedichte liefern die ideale Vorlage für die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Vergangenheit, eindringlich und doch federlicht intoniert. Masha Qrella lebt jede einzelne Zeile, begleitet von musikalischer Vielschichtigkeit mit manch einer druckvollen Überraschung und ganz viel Gefühl. Selbst angesichts der ausladenden Dimensionen von 68 Minuten fesselt „Woanders“ sofort und umschifft die gefährlichen Klippen der zähen Ausführlichkeit mit wachsender Begeisterung. Ob hier eine Fortsetzung möglich wäre?

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.02.2021
Erhältlich über: Staatsakt (Bertus)

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