AFI – Bodies

AFI
(c) Jacob Boll

Gefühlt häuten sich AFI mit jedem Album ein wenig. Zwar stehen sich manche Platten näher als andere, wie Gitarrist Jade Puget zu Protokoll gibt, doch das ist schon alles. Und so lauert bereits seit 30 Jahren a fire inside, denn Frontmann Davey Havok gründete die Band in ihrer Urform 1991 in der High School. Seither ist viel passiert, der Stil ändere sich gleich mehrmals, man hatte einen Major-Vertrag und ging in den USA sogar auf Platz 1. Das nunmehr elfte Studioalbum „Bodies“ bestätigt den auf dem eponymen Blutalbum eingeschlagenen Weg: Gothic Rock, New Wave, Post- und anderer Punk geben sich die retrolastige Kajalklinke in die hitverdächtige Hand.

Und Hits hat das neue Werk in rauen Mengen. Da wäre beispielsweise das kurze, angepunkte „Begging For Trouble“ mit hibbeligem 80s-Bass und herrlich entstellten, aufbrausenden Gitarren. Das mutet sehr britisch an und bleibt bei aller Distortion unverschämt eingängig. Fast noch besser macht es „Far Too Near“, dessen unauffälliger Auftakt etwas über die Qualitäten des Songs hinwegtäuscht. Während sich die Strophen am nervösen Anschlag bewegen und einen Sprint anttäuschen, taucht der Refrain unwahrscheinlich tief in 80s-Wave-Klänge ein. Die Gesangsmelodie ist bedeutungsschwanger, es riecht nach Haarspray und gruftiger Sehnsucht, von etwas Post Punk begleitet.

Als spätes Highlight scheint „No Eyes“ die Brücke zu früheren Alben zu schlagen. Da steckt etwas Pop/Rock drinnen, kerniger Alternative Rock, aber eben auch kurzweiliger Gothic-Schwermut; eingängig und verstörend. Ähnliches gilt für das überlange „Dulcería“ mit seinem mechanisch wirkenden Schlagzeug und Bass. Daraus ergibt sich ein schräger Bounce, der fast schon Richtung Elektronik drängt, darüber scheinen Grave Pleasures „Wicked Game“ zu covern. Zur Auflockerung serviert „Looking Tragic“ relativ klassischen Punk mit einer gewissen Abgründigkeit und einem Händchen für ellenlange Hooks, während der Opener „Twisted Tongues“ die düsteren Rockelemente auf die selbstzerfleischende Spitze treibt.

So viele Überflieger hatten AFI schon seit Ewigkeiten nicht mehr am Start. Nicht nur das, die Tracks nutzen sich nicht so schnell ab, wiewohl ein „Dulcería“ etwas Geduld erfordert. Selbst diese einzige, leicht zweifelhafte Episode stört am Ende nicht: „Bodies“ lässt das Feuer erneut lodern. Obwohl das US-Quartett weit von ihren Übersongs der 00er-Jahre entfernt ist, nicht nur stilistisch, wirkt die aktuelle Inkarnation auf Albumlänge unwahrscheinlich stimmig. Zwischen Misfits, The Cure und Joy Division macht man es sich klanglich gemütlich; ein willkommenes Aha-Erlebnis, ein bärenstarkes Beinahe-Spätwerk.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 11.06.2021
Erhältlich über: Rise Records / BMG Rights Management (Warner Music)

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