Charli Adams – Bullseye

Charli Adams
(c) Slater Goodson / Dawson Waters

Charli Adams nützt die Kraft der Musik, um ihren toxischen Wurzeln endgültig zu entfliehen. Sie wuchs in überaus konservativen Kreisen in Alabama auf und versuchte stets, es allen anderen recht zu machen, anstatt ihre eigene Identität zu finden. Ein Umzug nach Nashville, einhergehend mit dem Start ihrer Musikkarriere, ließ Adams aufblühen und sorgte für umfassendes Kritikerlob. Entsprechend ringt sie auf ihrem Debütalbum mit gewaltigen Vorschusslorbeeren, die Vergleiche mit Phoebe Bridgers, Taylor Swift und beabadoobee heraufbeschwören. „Bullseye“ spielt sich von allem frei.

Das Schlüsselstück „Cheer Captain“ an zweiter Stelle schließt mit einer Zeit, in der als Cheerleaderin und Gottesdienst-Leiterin die Familie über allen anderen Dingen stand, endgültig ab. Lockerer Pop/Rock-Sound mit Alternative-Einschlag und kraftvoller, dennoch luftiger Stimme tankt sich frei, wirft einen Blick auf Familie und Religion, und fasst frischen Mut. Den braucht Adams, wenn die Ballade „Bother With Me“ nach zwischenmenschlicher Ehrlichkeit sucht. Hinter der auf den ersten Blick kontemporären Interpretation klassischer Nashville-Klänge samt kurzem Querverweis auf die ersten Coldplay-Platten steckt fragile Anmut in Reinkultur.

Zwischendurch geht es um die wichtigen Dinge im Leben, die gefühlt fehlten, wie in „Get High w/ My Friends“ zu straightem Beat und 90s-Energie beschrieben. Das „Emo Lullaby :'(“ lebt ebenfalls von selbstbewusster Zerrissenheit, die das gemeinsam mit Nightly intonierte „Maybe Could Have Loved“ auf verhaltene Hoffnung dreht. In „Seventeen Again“ tritt Novo Amor auf. Singer/Songwriter-Exkurse treffen auf federnde Leichtigkeit, gefühlt von sämtlichen irdischen Fesseln befreit, auch wenn dieser Zustand überaus vergänglich sein mag. „Headspace“ entwickelt sich stellenweise zum großartigen Duett mit Ruston Kelly, das sofort unter die Haut geht.

Eine gewisse Erleichterung umweht dieses Debüt, selbst in den schwersten Momenten. Charli Adams musste sich diese Platte, diese Karriere erst erarbeiten, und so wirkt es, als würde sie noch nach dem richtigen Weg, der idealen Präsentationsplattform suchen. „Bullseye“ begleitet somit die fortgesetzte Ausbildung der Identität, egal ob persönlich oder als Künstlerin. Überaus eingängige Songs, die zugleich massenkompatibel und Alternative- bis Indie-tauglich sind, vereinen Generationen und Welten. Auf Adams‘ nächstes Kapitel darf man gespannt sein.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.07.2021
Erhältlich über: Colour Study / Ultra Music

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