Desperate Journalist – Maximum Sorrow!

Desperate Journalist
(c) Nick JS Thompson

Desperate Journalist sind so etwas wie Produktivitätsmonster. Aktuell steht bereits ihr viertes Album seit 2015 an, von diversen EPs und Kleinformaten ganz zu schweigen. Musikalisch hat sich das Quartett aus London komplett der eingängigen Düsternis verschrieben. Post Punk spielt natürlich ganz vorne mit, dazu gesellen sich diverse Rock-Spielarten von Indie über Alternative bis hin zu Gothic. Als Sahnehäubchen zerlegt Jo Bevan ihre Stimmbänder mit wachsender Begeisterung. All das findet nun auf dem wütenden und zugleich harmonisch fragilen „Maximum Sorrow!“ zusammen.

Der Vorbote „Fault“ an zweiter Stelle spielt sogleich die volle Klasse der Briten aus. Pulsierender Bass, animierte Drums, beiläufige Gitarre und Bevans große Gesten im Kleinen verführen. Erinnerungen an Special Interest und sogar Gossip werden wach, doch wo besagte Acts in Richtung Disco abbiegen, pressen Desperate Journalist weiterhin in die selbstzerfleischende Wunde mit zunehmend manischen Loops und einer Band am Rande des Nervenzusammenbruchs. Die Luft brennt aber nicht immer, denn das abschließende „Was It Worth It“ könnte kaum eingängiger sein. Indie Rock trifft auf Wave und Pop, der doppelte lyrische Boden sollte genau beachtet werden. Gewisse Blondie-Vergleiche drängen sich auf, doch steht der fantastische, pointierte Refrain prima für sich.

Was Desperate Journalist ebenso eindrucksvoll beherrschen, ist die ermattende Überlänge. So deutet „Everything You Wanted“ über gut sechs Minuten wiederholte Häutungen an, die – selbstverständlich – ausbleiben. Die lässige Gemächlichkeit mit kurzen, pointierten Intensivierungen lässt entspannte Banshees kreisen. Ähnliches kann das kaum kompaktere „Armageddon“ von sich behaupten, schaumgebremst und doch brodelnd. Während hier der Fokus auf fast schon eingängigen Melodien liegt, pulsiert ein „The Victim“ trotz hörbarem 80s-Wave-Einschlag gewaltig und stürzt sich das nervöse, dennoch verhalten liebliche „Personality Girlfriend“ gleich mehrere Klippen hinab. Unten wartet „What You’re Scared Of“, das sich in der zweiten Hälfte mit Noise-artigen Anleihen in aller Gemächlichkeit zerhexelt.

Zuckerbrot und ein wenig Peitsche begleiten „Maximum Sorrow!“. Die bedrückende Abgründigkeit dieses Albums ist stets greifbar, zumindest auf textlicher Ebene, während sich Harmonie und verklärter Höllenritt eine Art imaginäre Klinke in die Hand geben. Desperate Journalist spielen Post Punk, der diese Grenzen mit Gusto torpediert und sprengt. Das greifbare Faible für wahnwitzige Melodien, eigenwillige Gedankensprünge und die omnipräsente Vergänglichkeit des Seins spiegelt sich in Trauer und Spielfreude wieder. Konventionen werden überbewertet, Hits stehen an der Tagesordnung: Die Szenepolizei hat Pause, wenn Desperate Journalist ihr bislang bestes Album vorlegen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 02.07.2021
Erhältlich über: Fierce Panda Records (Cargo Records)

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