Black Country, New Road – Ants From Up There

Black Country, New Road
(c) Rosie Foster

Anfang 2021 waren Black Country, New Road plötzlich in aller Munde. Der Art-Kollektiv lebte mit seinem Album-Einstand „For The First Time“ den kunstvollen Wahnsinn der Alternative-Rock-Möglichkeiten vor, wiewohl der Begriff bestenfalls eine sehr ungefähre Orientierungshilfe darstellt. Stilistische Pluralität, unheimlich Bock auf Experimente und die Dynamik eines spielfreudigen Septetts machten den Live-Hype zum Studio-Leckerbissen. Höchstbewertungen und sogar eine Mercury-Prize-Nominierung waren die logische Folge. Fast auf den Tag genau ein Jahr später landet der Nachfolger „Ants From Up There“. Ein Schnellschuss?

Mitnichten, denn „schnell“ ist an diesen gut 58 Minuten herzlich wenig. Warum ein „Snow Globes“ neun Minuten braucht, um sich zu entfalten, scheint anfangs nicht klar. Die Briten lullen förmlich ein mit präziser, behutsamer Leisetreterei und folkigen Indie-Untertönen, die schon mal an frühe Arcade Fire erinnern. Tatsächlich wählt das Septett den Post-Ansatz und hebt nach der Hälfte plötzlich ab mit einer komplett durchgeknallten Rhythmusabteilung, die kaputte Salven und Rolls serviert, damit mitten ins weit offene Jazz-Herz schneidet und letztlich doch zurück zur wohligen Fragilität findet. Das muss man gewiss erlebt haben.

Ähnliches gilt für „Chaos Space Marine“, ein bereits etwas älterer Live-Favorit, der nach dem kurzen Intro in das Album einführt und sich abermals in fieberhafte Salven hineinsteigert. Alternative-Folk mit jubilierender Instrumentalkunst trifft auf wunderbar nervöse Energie. Die tritt auch in „Haldern“ hervor, wenngleich mit Verzögerung. Ein weiterer zögerlicher Aufbau bereitet das grandiose, aufbrausende Crescendo vor, das letztlich doch nur ein Mittelteil ist, von einer fast schon lieblichen Mini-Symphonie beschlossen, die in „Mark’s Theme“ eine passende Fortsetzung findet. Und ja, auch „Basketball Shoes“ ist mit weit über zwölf Minuten eigentlich viel zu lang, und doch zu keiner Sekunde langweilig, weil die Ausarbeitung der stellenweise mit Saddle-Creek-Sound flirtenden Höhepunkte monumental ausfällt.

Eigentlich spricht so ziemlich alles gegen „Ants From Up There“ – der monumentale Erfolg des Einstands, der damit verbundene Hype, die bewusste Überlänge, die sehr sporadische Setzung etwaiger Höhepunkte. Und doch sorgt gerade all das (und noch viel mehr) für einen weiteren, geradezu monumentalen Leckerbissen. Black Country, New Road tänzeln abermals am schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn, fühlen sich in beiden Extremen hörbar wohl. Ihr Sound ist noch eine Spur größer, gerade die Alternative-lastigen Folk-Glanzlicher in Verbindung mit Post-Rock- und Jazz-Aufbauten, das Songwriting verschachtelter und zugleich klarer. Große Experimente mit noch größeren Perlen bestätigen das Überdebüt auf grandiose Weise. Leider zum letzten Mal mit Frontmann Isaac Wood, der kurz vor dem Release seinen Ausstieg aufgrund anhaltender Gefühle der Angst und Traurigkeit bekanntgab. Die Band will weitermachen.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 04.02.2022
Erhältlich über: Ninja Tune (Rough Trade)

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