Dawes – Misadventures Of Doomscroller

Dawes
(c) Ward & Kweskin

Nach über einem Jahrzehnt im Dienste von Americana, Folk und Indie brauchten Dawes einen Tapetenwechsel. Dabei ging es weniger um einen veränderten Sound als um einen frischen Ansatz. Wo man bislang nach eigenen Angaben minimalistisch unterwegs war, ist nun das Gegenteil der Fall. Die Songs sollen leben und atmen, ohne dabei über die klassische LP-Länge hinauszuschießen. Heißt also, dass das Material deutlich länger und lebendiger ausfallen soll, mit ’nur‘ sieben Songs auf der Tracklist und durchaus epischen Spielzeiten. „Misadventures Of Doomscroller“ bleibt dennoch dem eigenen Grundsound treu.

Das eröffnende „Someone Else’s Cafe / Doomscroller Tries To Relax“ zeigt recht gut, wie diese neue Ausrichtung gelingen soll, überspringt locker die Neun-Minuten-Marke und verzichtet dennoch auf Effekthascherei. Dawes verharren einfach etwas länger bei ihren Ideen, die schnell ein Eigenleben entwickeln. Das abgehangene Leitmotiv trifft auf sympathische Lässigkeit, ein Hauch von Jazz mischt mit, die Band lässt sich treiben. Clapton kollidiert mit Elbow, während Tedeschi Trucks Band einen feinen Jam anstimmen – und damit kratzt man bestenfalls an der Oberfläche dieses feinfühligen Songs, der trotz opulenter Spielzeit viel zu schnell vorübergeht.

Inzwischen sind Dawes gefühlt drei Türen weiter. Das beschwingte, forsche „Ghost In The Machine“ fällt lässig und tanzbar aus, überrascht mit einer gewissen Heavyness, die stellenweise sogar auf Classic-Rock-Gefilde schielt. Im abschließenden „Sound That No One Made (Doomscroller Sunrise)“ regieren hingegen große Gefühle. Die Instrumentierung bleibt fast schon minimalistisch, die Dimensionen dafür episch. Hingegen schlägt „Everything Is Permanent“ etwas über die Stränge, ohne die komplette Übertreibung zu praktizieren. Der ausgedehente, verspielte, instrumentale Mittelteil hält einmal mehr eine Zehe in jazzige Untiefen, was Dawes gut bekommt.

Ja, diese neue Platte bedeutet tatsächlich eine große Umstellung, was aber keine schlechte Sache sein muss. Dawes eliminieren schlicht und ergreifend etwaige musikalische Limitierungen, wagen etwas und gewinnen auf ganzer Linie. „Misadventures Of Doomscroller“ ist gewiss eine Platte für Fortgeschrittene, alleine schon aufgrund der experimentellen, abenteuerlichen Ausrichtung und den vielen kleinen Jams zwischendurch. Gewisse Erinnerungen an den aktuellen Albumyzklus von Tedeschi Trucks Band werden wach – man lässt Erwartungen und Schubladen zurück, ohne sich komplett vom musikalischen Selbst zu verabschieden. So spielfreudig dürfen Dawes gerne öfter sein.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 22.07.2022
Erhältlich über: Rounder Records / Concord Records (Universal Music)

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