100blumen – Hoffnung, halt’s Maul!
Das einstige Ein-Mann-Industrial-Projekt 100blumen wollte nach „Keine Namen – Keine Strukturen“ aus dem Jahr 2018 eigentlich eine längere Pause einlegen. Mit einem Neuzugang am Bass, der aus dem Trio ein Quartett machte, sowie den Eindrücken einer Pandemie änderte sich dieser Wunsch jedoch und man begab sich ins Studio, um dem Frust freien Lauf zu lassen. Von Altersmilde ist bei den Elektropunk-Veteranen keine Spur, das verrät bereits der knackige Albumtitel „Hoffnung, halt’s Maul!“. Auch so nehmen die Düsseldorfer klar und deutlich kein Blatt vor den Mund.
Die schiere Wucht, welche die eröffnende Video-Auskopplung „Ey, die Vögel“ lostritt, wirkt wie eine Reise durchs Schaffen des Quartetts. Natürlich bleibt es elektronisch und ruppig, doch strahlt der klassische Punk-Ansatz in mehrere Richtungen aus, vor allem Rock und Post. Klare Kante an den Vocals, assoziativer Stil und mäandernde Suche nach der finsteren Offenbarung begleiten fünf aufbrausende, kühle und zugleich druckvolle Minuten, die mit der Zeit immer lauter und deutlicher werden. Die Ereignisse überschlagen sich, das wütende Finale ist ganz großes Kino.
„World Of Grief“ trägt das Grundkonzept im Titel und treibt die furiose Elektropunk-Energie auf die Spitze. Eingängige Nebenschauplätze, explosive Dynamik und melancholisch angehauchte Hooks kollideren mit schwerfälligen Zwischenspielen, bevor die nächste Druckwelle anrollt. In aller Kürze frühstückt „Ja nein vielleicht“ den punkigen Esprit von 100blumen ab und schielt sogar in leichte Hardcore-Gefilde. Erneut prasseln assoziative Bildketten auf das emotionale Zentrum ein. „Alles ist im Arsch“, heißt es an anderer Stelle, und das beiläufige Schrubben des Tieftöners vermittelt ein gesundes Maß an Nihilismus nebst funkelnder, lebhafter Synthesizer-Linie.
Frisches Blut, eine kleine Pause sowie Jahre der Dauerbeschallung mit Katastrophen stärkten 100blumen hörbar. „Hoffnung, halt’s Maul!“ ist in jeder Hinsicht als Statement zu verstehen, eine wuchtige Platte mit enormem Elan, die gekonnt überkocht und dabei doch ihre Schwerfälligkeit nie verliert. Zwischen punkigen Endzeitszenarien, elektronischer Eingängigkeit und beißender Finsternis breiten sich gefährliche wie wohlige Weisheiten aus, die gewiss zu den Karriere-Highlights der Band zählen, mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach den ersten Solo-Ausflügen. Willkommen im sympathischen Untergang.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 23.09.2022
Erhältlich über: Rookie Records (Indigo)
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