Girls In Synthesis – The Rest Is Distraction
Kann denn Lockdown Sünde sein? Für Girls In Synthesis brachte er beste Voraussetzungen, um an neuer Musik zu arbeiten, so Bassist und Sänger John Linger. Nicht nur das, nach dem bereits unterhaltsamen Debüt „Now Here’s An Echo From Your Future“ wollte das Trio aus London die eigenen musikalischen Möglichkeiten genauer ausleuchten. Mehr Düsternis, mehr Experimente und mehr genereller Wahnsinn bemühen neue Herausforderungen, die sich ebenso auf die lyrische Ebene erstrecken. „The Rest Is Distraction“ bricht mit wachsender Begeisterung durchs scharfkantige Gebälk.
Das schneidende, zerstörerische „Watch With Mother“ bringt diesen verfeinerten und doch alles andere als feinen neuen Weg auf den Punkt. Weiterhin bleibt Post Punk das Maß aller Dinge, kriegt nun bloß eine ruppige, nahezu noisige zusätzliche Dimension auf den Leib geschneidert. Bass und Gitarre schrubben mit wachsender Begeisterung, das Schlagzeug kann Tote erwecken und Lingers wütende Vocals dringen selbst in die hintersten Winkel der Seele vor. Ein „Screaming“ erinnert sogar an Black Rebel Motorcycle Club, bloß eine mehr als deutliche Portion düsterer und abgefuckter inszeniert.
Stoisch tappt „To A Fault“ durch seine drückende Schwere. Ja, die Gitarre klingt abermals richtig schön entstellt, während sich dahinter die Dystopie von Karies erhebt, doch sorgt die stete Zunahme der Intensität bis zum unvermeidbaren Kollaps für eine Zerlegung sämtlicher Sinne. Auch in „My Husband“ tasten sich Girls In Synthesis vergleichsweise vorsichtig vor, nur um schließlich komplett abzudrehen. Das gelingt auch im eröffnenden „It’s All Beginning To Change“ wunderbar. Ein kleiner Flirt mit Horror-Punk kommt gut, die zunehmende Eskalation der gut viereinhalb Minuten wirkt präzise und doch spontan, bis man irgendwann nicht mehr weiter weiß.
Und plötzlich fallen sie doch in sich zusammen. War der Einstand bereits gut, so ist „The Rest Is Distraction“ ein überaus beeindruckender Schritt auf neuen Wegen und zu neuen Ufern. Dynamische Explosivität trifft deutlich mehr Lärm und geordnetes Chaos. Girls In Synthesis lieben es, mit ihren Arrangements die Kehle des Ertragbaren sukzessive zuzuschnüren, nur um am Höhepunkt, wenn die Luft wegbleibt, alle Schleusen zu öffnen. Katharsis mit Noise in finsteren Sphären, so oder so ähnlich lässt sich die Düstermagie der Londoner beschreiben. Was für ein Höllenritt!
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 14.10.2022
Erhältlich über: Own It Records (Cargo Records)
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