LIES – Lies

LIES
(c) Alexa Viscius

Mit Projekten wie American Football, Cap’n Jazz und Owen sind die Kinsellas – teils gemeinsam, teils alleine – eigentlich immer irgendwie beschäftigt. Cousin Nate schleppte zuletzt ein paar Songs mit Synthesizer-Fokus herbei, die Cousin Mike begeisterten. Daraus entstand das Duo LIES, mit dem sich die beiden einer etwas anderen Pop-Vision mit spürbar synthetischem Einschlag widmen. Und das klappt wunderbar: Bei mehreren Studio-Sessions entstand schnell Material, begleitet von Texten, die sich durch Unsicherheiten in einer Beziehung hin zu Hoffnung kämpfen. Das Album heißt wie die Band, wird jedoch bewusst etwas anders geschrieben: „Lies“.

An diesen leicht anderen, dennoch bezaubernden Sound gewöhnt man sich schnell. Dafür sorgen Tracks wie „Echoes“, die sich bewusst Zeit für ihre komplexen, bewegenden Arrangements lassen und dabei doch direkt ansprechen, gleich im Geschehen landen. Das zarte Vorarbeiten in feinsinnige, verwaschene melodische Landschaften, von vertrauten Vocals begleitet, kommt gut. Alternative- und Art-Einflüsse kommen dazu, der weiche und zugleich bestimmte Charme unterhält. Im Vergleich dazu zeigt sich „Camera Chimera“ fast schon forsch, blubbert gewaltig mit spektakulär überschäumenden Synthis, einem möglichst lauten Drum-Computer und harmonischen Vocals, die sich behaupten.

„Rogue Vermouth“ zeigt eine weitere interessante Facette, zurückgelehnt und 80s-lastig, von butterweichen bis post-romantischen Melodiegebilden zart umspielt. Zwischen Easy Listening, Wave und betont zartem Post Punk baut sich pure Magie auf – angenehm anders und zugleich einer der besten Tracks des gesamten Albums. Im eröffnenden „Blemishes“ kommt hingegen die ungefilterte Spielfreude der Cousins durch mit einem vorwitzigen, hibbeligen Arrangement, während die Vocals nicht zum letzten Mal die bestimmte Nachdenklichkeit von Elbow ausstrahlen. Auch „Summer Somewhere“ schätzt den Kontrast, könnte für sich ein Club-Track sein, kollidiert jedoch mit meditativen Mustern.

Einfach mal alles anders machen und damit abräumen – was sich unheimlich simpel anhört, wird bei LIES zum vollen Erfolg. Die Kinsella-Cousins servieren eben keinen 08/15-Synthie-Pop, sondern sprengen bewusst und betont Grenzen. Wütende, lautmalerische Arrangements, balladeskes Schwelgen, poppiger Frohsinn und weiche Texturen treffen auf zurückgenommene Vocals, die gerne mal aktiv Kontraste setzen und damit abräumen. „Lies“ zeigt ein Duo mit einem ureigenen Zugang zu etablierten Klängen, von anderen Kinsella-Schauplätzen gekonnt beeinflusst und irgendwo zwischen den Stühlen souverän auf eigenen Beinen stehend. Was für eine spannende Perle von einem Album.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 31.03.2023
Erhältlich über: Big Scary Monsters (Membran)

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