Daniel Blumberg – GUT

Daniel Blumberg
(c) Brady Corbet

Auf den endlosen Song folgt eine Reise in das Innerste. Das neueste Werk von Daniel Blumberg spielt erneut mit dem Lied als Referenzgröße und wagt sich in Welten des Schmerzes, der Frustation, des Verfalls und der Erschöpfung vor. Eine schwere Darmerkrankung setze ihm in den vergangenen Jahren gewaltig zu, schränkte das Leben gewaltig ein. Also schraubt Blumberg nun seine Musik auf die (lebens-)wichtigsten Funktionen zurück und bemüht in „GUT“ – damit ist nicht der deutsche Begriff gemeint – die absolute Reduktion als Ausdruck von Schmerz und zarter Hoffnung.

Entsprechend sind die sechs Songs dieses gut halbstündigen Albums bestenfalls als Kapitel zu verstehen. Blumberg nahm weite Teile in einem ununterbrochenen Vocal-Take auf und setze bloß vereinzelte Overdubs zur ohnehin spärlichen Instrumentierung ein. Einer der Höhepunkte ist das mit einem beklemmenden Video versehene „CHEERUP“. ‚Nothing ever changes in this world / Nothing re-arranges‘ heißt es am Höhepunkt, während drückende wie minimalistische Rhythmik sowie die Reste jazziger Instrumentierung diese Collage behelfsmäßig umflattern. Es ist der längste, über weite Strecken auch lauteste Track, näher denn je an der Selbstaufgabe.

Ein weiterer Leckerbissen, dieses Mal ohne sarkatischen Titel, ist „KNOCK“. Das vorsichtige Anklopfen in die komplette Stille, einzig durch die glockenhelle Stimme bestritten, rüttelt am emotionalen Haushalt. In der zweiten Hälfte wird es intensiver, loopen sich Kanonenschlag-Drums, schwimmt eine betont eindringliche Synthie an die Oberfläche, schwillt das Arrangement bis zu einem noisigen Siedepunkt an, bis schließlich alles in sich zusammenfällt. Der Titeltrack „GUT“ knüpft nahtlos daran an, zwischen Niedergeschlagenheit und zarter Hoffnung pendelnd. Das Ende bleibt offen, doch macht der Protagonist weiter, selbst inmitten vermeintlicher Aussichtslosigkeit.

Mehr Happening denn Album, das gilt für „GUT“ noch mehr als für den Vorgänger. In endloser Schemenhaftigkeit gefangen, fertigt Daniel Bumberg Skizzen seines Gefühlshaushalts an und arbeitet sich durch schwere Jahre mit einem steten Funken Hoffnung, mit zarten Anzeichen der Besserung, kunstvoll und zugleich mitreißend. Diese avantgardistische Platte fordert heraus, stark vereinfacht gesagt, doch nimmt man die Herausforderung gerne an. Die Art und Weise, wie das Innerste an die Oberfläche wandert, berührt und fasziniert – ein Kunststück für Kopfhörer, ein Schlag in die Magengrube, Sandpapierbalsam für die Seele.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 26.05.2023
Erhältlich über: Mute / [PIAS] (Rough Trade)

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