Noth – Lieder vom Verschwinden

Noth
(c) Rebecca Krämer

Von der Schlafcouch ins Studio, so oder so ähnlich lautet die Überschrift für den neuesten Streich von Noth. Entstand der Erstling noch während der Ausgangssperre in Hamburg, machen die Abenteuer von Arndt nun erst einmal Pause. Für den Nachfolger befasst man sich mit Menschen und Dingen, die urplötzlich vom Erdboden verschluckt scheinen. Eben waren sie noch da und jetzt … „Lieder vom Verschwinden“ holt Gentrifizierung in Indie-Pop-Gefilde und ist doch so viel mehr – so etwas wie ein Liedermacher-Album, ohne nur annähernd an Singer/Songwriter-Traditionen anzudocken.

Verwirrt? Sehr gut, denn Geradlinigkeit und Vorhersehbarkeit werden so und so komplett überbewertet. „Alles ist vergänglich“ ist nicht nur eine wunderbare Überschrift für diese Platte, sondern zugleich einer der besten neuen Songs. Der fieberhafte, hektische Opener lässt die Zeit nicht so recht Zeit sein und überlegt, ob das Leben letztlich nicht durch ein Sammelsurium von Goodbyes ist. Dezent jazzige Untertöne, Blechbläser sowie ein kurzweiliger wie kompakter Refrain geben das Tempo vor. Danach verliert sich „Zum Güldenen Einhorn“ in einer Kneipe. Aber wie lange noch? Und wie kann Vergangenes wieder greifbar gemacht werden?

Von solchen existenziellen Fragen scheint „Idiotenapostroph“ möglichst weit entfernt und spielt stattdessen mit sozialen Dos und Donts. Abermals fällt die nervöse Instrumentierung positiv auf. Auch „Gute Lehrer“ umgibt etwas Unheimliches, beinahe Unnahbares. Jazzig angehauchte Finsternis löst sich für frühlingshaft verklärte Melodien kurzzeitig in Wohlgefallen auf und macht sich über kalten Kaffee her. Das ist „Irgendwie lyrisch“, wie auch der Track selbst, der alles andere als antrieblos durch die Welt zieht und nach dem Aha-Momentum sucht. „Unsichtbar“ ist hieran letztlich nichts, wohl aber überaus be- und verzaubernd – ein zittriger, in seiner Nacktheit begeisternder Schlussakt.

Viel zu schnell geht er letztlich vorbei, dieser Zweitling, weil man sich so gar nicht aus der engen Umklammerung dieser tollen Charakter- und Sozialstudien lösen möchte. Tatsächlich wählen Noth lyrische Themen, die man eher mit kargen Post-Punk-Collagen assoziieren würde, deuten diese jedoch auf komplexe, etwas experimentelle und letztlich doch harmoniebedürftige Indie-Gefile um. „Lieder vom Verschwinden“ sind interessanterweise gekommen, um mit absoluter Sicherheit zu bleiben und zu verweilen. Auch ohne Arndt macht das Duo fantastische Musik, die erlebt werden muss.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 15.09.2023
Erhältlich über: Backseat (SPV)

Website: nothmusik.de
Facebook: www.facebook.com/bandnoth