Everything Everything – Mountainhead
Die intensive, geradezu intime Auseinandersetzung mit Technologie, KI und vielen weiteren Aspekten der vermeintlichen Moderne gehört für Everything Everything sozusagen zum guten Ton. Für ihr letztes Album „Raw Data Feel“ entwickelten sie sogar ein eigenes KI-Tool und fütterten dieses mit Unmengen an Daten. Nun schlägt das Quartett eine deutlich dystopischere Richtung ein. Eine Technologie der Zukunft stürzt die Menschheit in eine tiefe Krise. Auf der gesellschaftlichen Leiter thront eine Elite, während die Menschen am anderen Ende gezwungen sind, sie zu erhalten. „Mountainhead“ findet in dieser albtraumhaften Vision Parallelen zur Gegenwart. Und zarte Ansätze von Hoffnung.
Die Frage „R U Happy?“ trägt durchaus zynische Züge in sich, der erstaunlich dominante Rhythmus mit leichten Drum’n’Bass-Anleihen und gewohnt glockenhellen Vocals lässt den ohnehin betont modernen Pop-Ansatz noch futuristischer erscheinen, von einer gewissen zarten Melancholie stets begleitet. „The End Of The Contender“ ist einer der großen Hits dieses Albums, nicht zuletzt aufgrund dieser fantastischen Gesangsmelodie, die schier unzählige Silben in ein Sammelsurium an Synthis und Schichten presst. Danach geht „Cold Reactor“ flott nach vorne und bringt den meisterlichen Pop-Ansatz auf den Punkt. In der hibbeligen Reizüberflutung verbirgt sich massig Magie.
„Dagger’s Edge“ bemüht wohlige Schwere, fast schon an RnB-Gefilde andockend. Echter Standout ist jedoch die vergleichsweise ruhige Strophe, die sich ebenso einbrennt wie das folgende Epos „City Song“. Knapp sechs Minuten lassen sich Everything Everything Zeit, legen Schicht auf Schicht, setzen pointierte Zäsuren ein, bevor die sparsam eingeflochtenen Gitarren in höchste Höhen entführen. Im bedrückenden „Canary“ steckt unheimlich viel Gefühl, irgendwo zwischen Unsicherheit und dem Willen, aus dem Status Quo auszubrechen, gefangen. Der vorwitzige, energische Opener „Wild Guess“ lebt von seiner unwiderstehlichen Bassline und einem Refrain, der zuckersüß und bedrückend ausfällt.
Nicht nur, dass Everything Everything ihre Serie exzellenter Releases gekonnt fortsetzen, mit „Mountainhead“ ist ihnen ein echtes Meisterwerk gelungen. Selten gelang es derart fantastisch, unwiderstehlich eingängige Pop-Songs mit elektronischer Experimentalität, Unvorhersehbarkeit und post-moderner Konzeptkunst zu vereinen. Nahezu eine Stunde fließt ein Track in den nächsten, ohne Längen, ohne Schwachstelle, dafür voller grandioser Melodien und aufwühlender Momente. So schaffen es Everything Everything, tatsächlich in noch höhere Sphären vorzudringen, und servieren Ohrwurm-Kunst auf unschlagbarem Niveau.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 01.03.2024
Erhältlich über: BMG Rights Management (Warner Music)
Website: everything-everything.co.uk
Facebook: www.facebook.com/EverythingEverythinguk