Charlie Cunningham – In Light

Die Intimität des weit geöffneten Klangraums begleitet die kompositorische Klasse eines Charlie Cunningham seit Jahren. Wie nur wenige andere versteht es der britische Singer/Songwriter, mit übersichtlicher Instrumentierung und lebendiger, dennoch bewusst limitierter Produktion maximalen Eindruck zu hinterlassen. In Luke Smith (u.a. Foals, Depeche Mode) fand er einen passenden Partner an den Reglern und nahm in fünf Wochen zehn Songs auf, jeweils in einem Take, mit nur geringer Nachbearbeitung. „In Light“ lässt dem Bewusstseinsstrom freien Lauf und sucht nach Wahrheiten, die selbst in vermeintlich beklemmenden Momenten nie die Hoffnung aus den Augen verlieren.
Aber nicht nur Wahrheiten, auch Wahrhaftigkeiten spielen eine nicht zu verachtende Rolle, speziell in KI-Zeiten wie diesen. Cunningham sieht zwar in manchen Bereichen die Vorteile künstlicher Intelligenz, doch darf dabei das Menschliche nie verloren gehen – siehe und höre „Happening Lately“, der magische Opener, der zugleich das Experimentieren mit Distortion als Teil des kreativen Prozesses einbringt. Die Stimme des Protagonisten wirkt leicht verwaschen, während er zu sanften, beiläufigen Gitarrentönen den Sprung ins Unterbewusste wagt. Dazu passt „Shape Of Tomorrow“, eine weitere Studie von Nähe und Distanz in der Produktion, während Datenkraken Schabernack treiben.
Was ist eigentlich der beste Teil dieses Albums? Ist es tatsächlich „Best Part“? Gut möglich, denn die Art und Weise, wie dieser Song anrollt, so gemächlich und doch eindringlich, ist wahrhaft großartig. Dazu passt die universelle Suche nach Wahrheiten, die sich unter der Oberfläche aufhalten können und nach oben drängen. Arrangierung und Produktion unterstützen das kleine Meisterwerk, dessen zarte Effekte wie Luftblasen aufsteigen, verpuffen und doch lange nachhallen. Da wird die lichte Stimme zum weiteren Instrument, wie auch im abschließenden „New Symmetry“. Folkige Reduktion und das bewusste Setzen heller, positiver Momente entwickelt sich zur Kunstform.
Mit vergleichsweise einfachen und doch so kraftvollen, so ausdrucksstarken (Stil-)Mitteln zieht Charlie Cunningham in einen schwer zu benennenden Sog und hält fest, nur um im richtigen Moment wieder loszulassen, wieder und wieder. Wo soll man bei „In Light“ bloß anfangen? Die Songs sind weiterhin grandios, keine Frage, doch fügt sich das Gesamtpaket besser denn je zusammen. Das liegt nicht zuletzt an der grandiosen Produktion, die intim und doch raumfüllend arbeitet, als würde Cunningham die Nähe zum Mikrofon suchen, nur um im nächsten Moment möglichst viel Abstand zu wählen. Zugleich flammt die Instrumentierung geradezu auf, von folkigster Reduktion über Klavier-Ideen bis hin zur sachten Synthetik, von der Distortion ganz zu schweigen. Ob sich die Seele diesen Balsam verdient hat oder nicht: „In Light“ ist wohl das bislang beste Werk des Briten.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 14.03.2025
Erhältlich über: Humming Records (Membran)
Website: www.charliecunningham.com
Facebook: www.facebook.com/charliecunninghammusic