Pale Blue Eyes – This House

Pale Blue Eyes
(c) Sophie Jouvenaar

Der Tod von Matt Boards Eltern erschütterte Pale Blue Eyes. Im Haus des Sängers und Gitarristen war immer Platz für gute Stimmung, für geliebte Menschen und tolle Partys. Nun liegt eine unwirkliche, unangenehme Atmosphäre über diesen vier Wänden, von großer Anspannung geprägt. Board hatte das Gefühl, seine Eltern an allen Ecken und Enden zu sehen, zugleich machte sich das Gefühl eines dringend benötigten Neuanfangs breit. In exakt jenem Spannungsfeld platziert sich das zweite Album des britischen Trios, schlicht „This House“ benannt.

Im großen Finale kommt das Gefühlschaos hervorragend zum Ausdruck. Board und Band fühlen sich „Underwater“ und treten eine gut siebenminütige Welle des faszinierenden Wahnsinns los, die sich noch tiefer in krautige und psychedelische Gefilde vorwagt. Schier endlose Schleifen kollidieren mit trippigen Shoegaze-Klängen, rundherum verbindet sich Fragilität mit zögerlicher Schönheit, die in einem nicht näher benannten Moment zu wohnen scheint. Das XXL-Format fällt prima aus dem Albumrahmen und bemüht packendes Storytelling. Der konstante Dynamo von „Our History“ zitiert ebenso herrlich Krautiges, lebt von seiner unnachgiebigen Energie und geht nicht mehr aus dem Kopf.

Es geht aber auch ganz anders, wie der schrubbende Basslauf von „Takes Me Over“ recht deutlich unter Beweis stellt. Post- und Wave-Klänge drängen sich schrittweise in den Vordergrund, dichte Texturen und launische Keys mischen mit. „Simmering“ entspricht seinem Titel, wirkt nervös und versprüht dennoch einen gewissen Frohsinn. Hinter diesem doppelten Boden lauern aufdringliche Melodien, die eigentlich doch ganz putzig wirken, während die Vocals federleicht über den Dingen schweben. Ebenfalls fällt „Our History“ mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus, schiebt die Distortion-Regler auf Maximum und dreht dabei auf fast schon entspannte Weise am Rad. Das dürfte eigentlich nicht funktionieren, macht aber unheimlich Laune.

Omnipräsente Zerrissenheit zeichnet diese hochspannende musikalische Wundertüte aus. Wohin die Reise geht, weiß man nie so genau, doch begleitet man Pale Blue Eyes liebend gerne durch verschiedenste Zimmer und einen Sturm der Erinnerungen. Das Herz darf auf „This House“ zur Mördergrube werden, während die Musik neue Wege und Möglichkeiten erschließt. Endlose Schleifen, erstaunlich komplexe Gefilde und zugleich poppige Feinsinnigkeit gehen eine unerwartete wie packende Symbiose ein, so ausladend und doch konkret wie selten. Zwischen mächtigen Klangwelten und Mini-Hits entsteht ein packender Zweitling mit tragischer Backstory, dem man sich kaum entziehen kann.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 01.09.2023
Erhältlich über: Full Time Hobby (Rough Trade)

Website: paleblueeyes.co.uk
Facebook: www.facebook.com/paleblueeyesmusic