Glare – Sunset Funeral

Glare
(c) Sunday Drive Records

Während das große Shoegaze-Revival entweder gerade abebbt, erneut Fahrt aufnimmt oder eh nie so wirklich eine Pause eingelegt hatte, wandert der verspätete Blick auf neue Hoffnungsträger aus Texas. Wobei, ganz so neu sind Glare freilich nicht. Das im Rio Grande Valley gegründete Quartett besteht mittlerweile seit 2017, veröffentlichte diverse Kleinformate und nahm selbst die Zwangspause locker hin. Inzwischen steht man bei Sunday Drive Records, einem Rock-lastigeren Offshot der Krach-Könige Deathwish, unter Vertrag, und packte im Frühjahr ein erstes Album aus. „Sunset Funeral“ hallt noch nach und klingt tatsächlich so, wie es der Titel vermuten lässt.

Tatsächlich verbirgt sich einiges an Trauer hinter diesen elf Songs, das verraten teils bereits die Titel: „Mourning Haze“ startet als Opener bereits in media res, mit butterweichen, echobelasteten Vocals, seidig ins Arrangement eingebettet, und beiläufig angeschlagenen Gitarren. Urplötzlich verdichtet sich das Geschehen, Distortion und die Zweitstimme schneiden auf bezaubernde Weise ins Fleisch. Hinter dem Horizont befindet sich das „Sungrave“, von Glare in komplette Entschleunigung gekleidet. Der Track wird gefühlt immer länger, scheint zeitweilig sogar rückwärts zu laufen und langt doch mit geradezu erstaunlicher Vehemenz zu – ein packendes, aufwühlendes Happening.

Ab und an geht es doch mit den Texanern durch, siehe und höre „Nü Burn“. Wütende, quengelige Metal-Einschläge, passend zum Präfix im Songtitel, führen auf eine derbe falsche Fährte, bevor Glare doch wieder zurück zum besonderen Gefühl finden, dieser beklemmenden, aufwühlenden Atmosphäre. Der Abgang führt zurück zur Heavyness. „Saudade“ mag vielleicht sehr, sehr weit von Portugal entfernt sein, bringt das melancholische Gefühl der Sehnsucht dennoch bärenstark in die Musik ein, haut die Hacken in den Boden und lässt sich doch treiben. Dafür braucht es einiges an „Guts“, vom Quartett mit angenehmen poppigen Untertönen versehen.

Wenige Bands erzeugen derart immersive Stimmungsbilder in so kurzer Zeit wie Glare. Ihr erstes komplettes Album ist eine hochspannende, aufregende und mitreißende Grenzerfahrung, die mit jedem Durchlauf ein Stück größer und packender wird, ohne dabei seine nachdenkliche Intimität auch nur in geringstem Maße einzubüßen. „Sunset Funeral“ lebt vor allem von seinem Gesamtbild, mächtig und fragil zu gleichen Teilen, natürlich hörbar im populären Shoegaze-Duktus eingebettet und doch zu jeder Zeit sein eigenes Biest. Verträumte Pop-Visionen, überraschende Metal-Einschübe, ganz viel Alternative-Energie und clevere, bezaubernde Zwischentöne ergeben eine Platte der unendlichen Weiten inmitten vermeintlich beschränkter Horizonte – großes Kino auf kleiner Bühne.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 04.04.2025
Erhältlich über: Sunday Drive Records / Deathwish Inc. (Membran)

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