Jochen Distelmeyer – Heavy
Das traurige und viel zu frühe Ende von Blumfeld ist ein neuer Anfang für Sänger Jochen Distelmeyer, dem auf „Heavy“ scheinbar eine zentnerschwere Last von den Schultern fällt. Wann genau hat man ihn mit seinen ehemaligen Kollegen zuletzt so befreit auspielen hören. Das Soloalbum wurde allerdings auch mit Bandunterstützung (nicht durch Blumfeld, versteht sich) eingespielt und klingt entsprechend druckvoll.
Der a cappella-Einstieg „Regen“ – eine Art gesungenes Gedicht, ein Chanson, ein Besuch in der Lounge – täuscht, denn Distelmeyer zeigt sich überraschend schroff. „Wohin mit dem Hass?“ wird von wuchtigen Drums und einem breitbeinigen Rock’n’Roll-Riff getragen. Klar ist die Singstimme des Protagonisten fast etwas zu nett, um den drastisch gewählten Zeilen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Die Distelmeyer’sche Herangehensweise ist eine Mischung aus Sprechgesang – bitte nicht Rap dazu sagen – und geträllerter Ausdrucksaggression, die auf eine ganz eigenwillige Art und Weise charmant wirkt.
„Hinter der Musik“ rast los, entdeckt den Punk für sich. Ist das wirklich der Mann, der Obst nicht erlaubt? Liebe und Glück, Verlust und Trauer, Freude und Wut tanzen auf „Heavy“ miteinander, getragen von basslastigen, beinahe tanzbaren Hymnen („Hiob“), fordernden Riff-Rockern („Er“), Lebensweisheiten („Murmel“) und frühlingshaft leichten Liebeserklärungen („Jenfeld Mädchen“). Da macht es auch nicht, dass man mit „Lass uns Liebe sein“ gerade den schwächsten Song ausgekoppelt hat – das vertonte Augenzwinkern in der Indie-Disco passt perfekt in den Albumkontext, ist für sich aber eine Spur zu nett.
Dieses kleine Manko ist aber für sich schon wieder charmant genug, passt zu Jochen Distelmeyer, der sich hörbar freigeschwommen hat. „Heavy“ als Soloalbum mit Bandformat kann man konzeptuell und Vergangenheits bewältigend sehen, wie man will, es macht Laune. Alles dabei, was den Protagonisten ausmacht – gelungene Abwechslung und viel Leidenschaft. Aber wo soll man nun den Hass abladen?
VÖ: 25.09.2009
Columbia Records (Sony Music)
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