Helgi Jónsson – Blindfolded
Wer im Herbst Tina Dico auf Tour gesehen hat, wird auch kaum an Helgi Jónsson vorbeigekommen sein, ihrem charmanten Voract. Der isländische Singer/Songwriter mit einer Stimme zwischen Teitur und Jónsi von Sigur Rós hat erst im Oktober sein starkes zweites Album „For The Rest Of My Childhood“ veröffentlicht – ein echter Kritikerliebling, dem diesen Herbst ein würdiger Nachfolger geboren werden sollen. Zwischendrin erscheint der EP-Leckerbissen „Blindfolded“, den man auf keinen Fall übersehen darf.
Mit sieben neuen Songs im Gepäck sorgt Jónsson für so manchen magischen Moment. „Make Me Fall“ ist ein smarter Pop/Rock-Song mit gigantischem Überrefrain und pointiert eingesetzten Gitarren – eine hypnotisierende Hymne, der würdige Versuch eines perfekten Songs. „Aurora“ ist das krasse Gegenteil (wenn auch nicht qualitativ) mit seinem Akustik-Arrangement und einem versöhnlich wirkenden Protagonisten. Gleich dahinter wartet der ebenso balladeske Titeltrack, bei dem das Piano im Mittelpunkt steht – eine zarte Ballade, eine fragile Geste, ein zögerlicher Windhauch musikalischer Natur.
Nach der Interlude „Á Kafi“ – ein Showcase für Jónssons Trombonen-Künste setzt „Wild Hearts Run Out Of Time“ ein. Beginnt der Track noch zögerlich und semi-balladesk, steigert sich das Arrangement mehr und mehr gen orchestralem Grandeur. Der Isländer reizt seine Stimmbänder bis zum Maximum aus, geht ganz und gar in diesem Track auf. „Þú mátt alltaf gista hér“ erinnert weitestgehend an Sigur Rós mit seinen kleinen Pausen und der ruhigen Grundstimmung. Sechseinhalb Minuten isländischer Post Rock mit Jónsson-Note? Immer nur her damit, bevor „Í snjókomu“ die EP instrumental sanft ausklingen lässt.
Wie schon auf „For The Rest Of My Childhood“ ist auch „Blindfolded“ ein nahezu perfektes Kunstwerk. An Helgi Jónsson muss man die Ehrlichkeit seiner Songs schätzen, die einen tiefen Blick in die Seele des Künstlers und in die Herzen seines Rezipientenkreises wagen. Der Isländer lebt und atmet Musikkultur, ist ein fantastischer Songwriter und kann mit seiner Stimme Gletscher zum Schmelzen bringen. Mehr kann man von einem Musiker kaum erwarten.
4,5/5
VÖ: 21.01.2011
Sevenahalf Records (Broken Silence)
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