Talking To Turtles – Oh, The Good Life
Bevor es daran geht, sich vor diesem Duo aus Rostock zu verbeugen, will auch die Plattenfirma lobend erwähnt werden: DevilDuck Records haben ein Näschen für sympathische Indie-Platten mit Langzeitwirkung, wie sie zuletzt mit Sea Wolf und Scams bewiesen haben. Nun rücken Talking To Turtles – Claudia Göhler und Florian Sievers – nach, die vor anderthalb Jahren mit ihrem Debüt „Monologue“ eine erfrischend kauzige Platte zwischen Singer/Songwriter, Folk und Indie Rock aufgenommen haben. „Oh, The Good Life“ toppt diese allerdings ganz locker – größer, eingängiger, besitzergreifender.
Wurde das Debüt noch in Wohnzimmern zwischen Leipzig und Berlin gebastelt, ging es für „Oh, The Good Life“ nach Seattle, wo man mit Jonathan Warman im Avast!-Studio (u.a. Soundgarden, Death Cab For Cutie, The Shins) aufgenommen hat, während das Mastering Doug van Sloun (Bright Eyes, The Faint, Cursive) im Saddle Creek-Herzen Omaha, Nebraska übernahm. Es verwundert also keineswegs, dass Talking To Turtles auf ihrem zweiten Album internationaler klingen – nicht nur auf der Vorabsingle „Grizzly Hugging“, das irgendwo zwischen Omaha-Folk, Indie-Leichtsinn und kauzigem Zwiegesang angelegt wurde, nach gut zweieinhalb Minuten viel zu früh und plötzlich endet.
Schon die ersten Noten des Openers „In The Future“ verzaubern und deuten in etwa an, in welche Richtung es für Matt And Kim gehen könnte, wenn sie eine Singer/Songwriter-Platte aufnehmen würden. Hinter dieser schrägen Idee haben sich tatsächlich einige Hits versteckt, vor allem „Men In Trees“ mit seinem energisch rockenden Refrain, der tatsächlich ein wenig an die Labelkollegen Scams erinnert. Zur richtigen Zeit setzen heftige Gitarren ein, gepaart mit einer kriminell eingängigen Gesangsmelodie. In „I Am In Numbers“ übernimmt Göhler die Führung, singt weite Strecken des nur von einer E-Gitarre begleiteten Songs und begeistert mit unerwarteter Fragilität. Abgerechnet wird jedoch immer am Schluss – „REM“ klingt in etwa so, als würden die White Stripes gemeinsam mit Belle And Sebastian Dream-Folk machen: majestätisch, bezaubernd, dabei schmerzhaft ehrlich.
Talking To Turtles klingen auf ihrem zweiten Album größer, internationaler und doch immer noch so verspielt und widerspenstig wie auf ihrem Debüt „Monologue“. Mehr und mehr Ohrwürmer schleichen sich auf „Oh, The Good Life“ ein, mit „Men In Trees“ haben Göhler und Sievers sogar einen echten Indie-Hit am Start, dazu wirken die ruhigen Momente dank einer Fülle an neuen instrumentalen Möglichkeiten – aus Warmans Freundeskreis ertönen Cello, Kontrabass, Querflöte, Horn und Banjo – noch eindrucksvoller. Kurzum: Talking To Turtles machen alles richtig, gewinnen weiter an Tiefgang und hätten ihren Zweitling auch problemlos über Saddle Creek laufen lassen können.
VÖ: 19.08.2011
DevilDuck Records (Indigo)
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DCfC machen Indiepop „ohne auch nur einen Moment überladen und überproduziert zu klingen“ (wie auf rock-musik.ch bei der Kritik für die neue platte so schön zu lesen war). T2T klingen auf dem album – finde ich – unterproduziert.