Der König tanzt – Der König tanzt

Der König tanzt

Ende 2010 kündigten Fettes Brot eine kleine Schaffenspause auf unbestimmte Zeit an, um sich anderen Projekten zu widmen. Eines davon ist Der König tanzt, Solo-Spielweise von Boris Lauterbach aka König Boris. Ob er sich dabei vom gleichnamigen belgischen Historienfilm über Jean-Baptiste Lully, Komponist am Hof Ludwigs des XIV., inspirieren ließ, ist jedoch nicht bekannt. Dafür liebt er den Manchester-Sound der frühen 90er Jahre und schätzt generell die britische Kultur, wie man auf dem schlicht „Der König tanzt“ betitelten Debütalbum bestens hören kann.

Weite Strecken des Albums sind eine echte Madchester-Liebeserklärung, wie zum Beispiel die Single „Alles dreht sich“, für die Stones Roses-Gitarren auf den unkontrollierten Wahnsinn der Happy Mondays treffen. Der König hat ein hörbares Faible für Effektgeräte und verwendet diese wie Viagra für seine Stimme, was im elektronisch dominierten Umfeld allerdings auch hervorragend funktioniert. So verwundert es auch kaum, dass die Frische von Hard-Fi, selbst Jünger der britischen Rave-Kultur, immer wieder durchscheint, beispielsweise im sommerlichen „Nur für 1 Tag“. Ibiza grüßt, auch Hot Chip melden sich nach dem zweiten Refrain für ein kleines Stelldichein.

In „Häuserwand“ findet sich schnell eine potentielle zweite Single, die sich von den Assoziationskriegen in den Strophen schnell zu einem sympathisch eingängigen Refrain mit ein wenig 80s-Einschlag entwickelt – kann man nach einem Durchlauf problemlos mitsingen. Auch am Piano-geschwängerten „Schwanenteich“ (Hard-Fi treffen auf Paul Johnson) führt kaum ein Weg vorbei, gerade was den bissigen Text betrifft, der den Untergang des Abendlands besingt, ein wenig gegen Guttenberg austeilt und mit einem trotzig-verblendeten „alles läuft doch glatt“ resümiert. „Alle kulturell bewandert, in der Oper läuft heut‘ ‚Schwanenteich'“ – besser kann man es nicht sagen. Ebenso inhaltlich stark: „Holidays im Krieg“, der Electropunker mit klassischem MIA.-Charme, und die potentielle NDW-Hommage „Wunderbare Zeiten“.

Ein bisschen Füllmaterial zu viel verhindert jedoch, dass aus dieser schrägen Songsammlung ein starkes Album wird. Die guten Ideen sind an manchen Stellen dünn gesät, „L.U.C.I.“, „Foto“ und „Niemals zu Stein“ (so gut die The Cure-Gitarren auch sein mögen) sind absolut verzichtbar, auch der Titeltrack ist ein Grenzfall, potente Anti-Mainstream- und Pro-Außenseiter-Message hin oder her. König Boris hat auf seinem Solo-Einstand hörbar Spaß und fühlt sich in seinem persönlichen Madchester hörbar wohl. „Der König tanzt“ schlägt sich immer wieder selbst, stellt Übersongs neben verhaltene Ideen. Empfehlenswert ist dieses 90s-Revival aber dennoch, sofern man das eine oder andere Mal die Skip-Taste betätigt, um schneller zu „Schwanenteich“ oder „Häuserwand“ zu kommen.

VÖ: 27.04.2012
Fettes Brot Schallplatten (Indigo)

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