Alex Clare – The Lateness Of The Hour
Noch vor einem Monat war der Name Alex Clare maximal Fans und Branchen-Insidern ein Begriff. Seitdem sein Song „Too Close“ als Untermalung für den aktuellen Internet Explorer-Werbespot verwendet wurde, kriegt vor allem Deutschland – der 25jährige Londoner steht zwar weltweit in den Charts, allerdings nirgendwo so hoch wie hierzulande – nicht genug von ihm. Während die Single in dieser Woche die Spitze der heimischen Charts erklimmt, steigt sein 2011 nur digital, jetzt auch auf CD veröffentlichtes Debütalbum „The Lateness Of The Hour“ neu auf der #27 ein. Nun stellt sich eine entscheidende Frage: Hat die Platte mehr als nur einen großen Werbehit zu bieten?
Hinter „The Lateness Of The Hour“ stecken Diplo und Switch, die Alex Clare die notwendigen Beats zwischen Dubstep und Drum’n’Bass liefern. Gemeinsam mit dessen Soul- und Blues-geschwängerten Stimme ergeben diese jene hochexplosive Mischung ergeben, die aus „Too Close“ verdientermaßen einen Riesenhit gemacht haben. Mehr davon gibt es beispielsweise in Form von „Treading Water“, deutlich DnB-lastiger, aber nicht minder spannend. Clares kraftvolle Stimme mit Merriweather-Einschlag trifft voll ins Schwarze, die Beats blubbern angenehm. Auch das deutlich ruhigere „Sanctuary“ mit seinen schlichten Gospel-Elementen wabert mächtig vor sich hin.
Der Opener „Up All Night“ schockt jedoch ein wenig: verzerrte Gitarren, Dub- und Reggae-Elemente, sowie ein überdrehter Alex Clare signalisieren einen gewaltigen „Wipeout!“-Moment. „Relax My Beloved“ hätte mit seiner melancholischen Grundausrichtung auch auf Ben Westbeechs aktueller Platte hervorragend funktioniert, bietet sich als Herbstsingle mit Remix-Paket förmlich an. „Whispering“ ist einer jener ruhigen Songs, die mit elektronischer Untermalung auch funktionieren. Während die zweite Albumhälfte generell ein wenig schwächelt – so gut der Brite auch bei Stimme ist, für „I Love You“ und „I Won’t Let You Down“ fehlen die zündenden musikalischen Ideen – ist diese „Feeling Good“-Verneigung mit Aphex Twin-Beats mehr als nur gelungen, wirkt im leicht schräg gesungenen Mittelteil angenehm gespenstisch.
Ganz fehlerlos ist „The Lateness Of The Hour“ also nicht – über einen Teil des Refrains von „Humming Bird“ kann man beängstigend problemlos gar „Stuck On Replay“ singen – in seinen beatesken Gänsehaut-Momenten aber unheimlich spannend. Alex Clare profitiert von der Skrillex-Welle und der durch KoRn (und sogar durch die Electro-Veteranen Orbital) vorangetriebenen Dubstep-Popularisierung ebenso wie durch den brillanten Werbe-Einsatz durch Microsoft. Sein Debütalbum hat sich einen CD-Release verdient und hält einige weitere Perlen versteckt, unter anderem „When Doves Cry“, eine Art Bond-Theme-Remix versus Prince. Es wird interessant zu sehen sein, in welche Richtung sich Clare musikalisch entwickeln wird. Man könnte sich eine noch clubbigere Platte vorstellen, auch rootslastige Soul-, Blues- und sogar Jazz-Klänge scheinen möglich. Für den Londoner könnte dies das verdiente Sprungbrett hin zu einer grundsoliden Karriere sein, auch wenn es schwer sein dürfte, das One-Hit-Wonder-Stigma abzulegen.
VÖ: 13.04.2012
Island Records (Universal Music)
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