Gonjasufi – Callus

Gonjasufi

Gonjasufi hat sich ein dickes Fell zugelegt. Eine Art Hornhaut, mit der er Schmerzen abwehrt, kanalisiert und in seine experimentelle Musik steckt. Diese zu beschreiben, ist so und so zum Scheitern verurteilt. Industrial-Beats, Raps und Halb-Gesang, avantgardistische Elemente, TripHop und Dub geben sich die Klinke in die Hand. Sperrig, unzugänglich und gerade deswegen so spannend: „Callus“ hat seinen Namen verdient.

Wie schwierig sich das Unterfangen, Gonjasufis Musik zu kategorisieren, gestaltet, zeigt sich von den ersten Tönen an. „Your Maker“ lebt von wenigen Noten, (Sprech-)Gesang, Industrial-Entwürfen und brutal ehrlichem wie schmerzhaftem Minimalismus – quasi die Rap-Version der Nine Inch Nails. Im direkten Anschluss lässt sich „Maniac Depressent“ von einer kaputten Gitarre tragen. Das Beat-Kartenhaus stürzt über Country-Fragmenten zusammen, während der US-Amerikaner fragende, zittrig nölende Wortspenden ins weite Rund wirft und mehr Fragen stellt als beantwortet.

Diese Beobachtung zieht sich auch durch den Rest des Albums wie ein aufwühlender, (selbst-)zerstörerischer roter Faden. Zwischen dem von traurigen Streichern und Dissonanz getragenen „Poltergeist“, dem Dub-Monster „Krishna Punk“, „Ole Man Sufferah“ mit seiner rauen Emotionalität und dem entfernt an Crystal Castles erinnernden „When I Die“ bleibt es spannend. Oft in Fragmenten unterwegs, sprengt Gonjasufi mit dem ellenlangen „Shakin Parasites“ noch sämtliche scheinbare Grenzen und sucht stolze sechseinhalb Minuten nach dem richtigen Sequenzer, während er gewohnt aufwühlend über musikalischem Kargland meditiert.

Irgendwann zwischen dem dritten und vierten Durchlauf passiert schließlich das Unmögliche – man verliebt sich in diese kuriose, unförmige Anti-Form eines Albums. „Callus“ kratzt, beißt, schmerzt und lässt sich ohne einen extralangen Geduldfaden unmöglich ertragen. Gonjasufi sorgt jedoch dafür, dass sich gute Nerven lohnen, denn hinter der unnahbaren Aura dieses Drittlings stecken großartige Momente in Hülle und Fülle. Immer wieder trumpft er auf, packt bissige Beobachtungen über Beat-Fragmente und lässt den Loop durch Noise-Wüsten hetzen. Übermäßig kompliziert? Ein gewaltiges Understatement für dieses faszinierende Machwerk. Jetzt ist der Sommer definitiv vorbei.

Gonjasufi - Callus

Callus
VÖ: 19.08.2016
Warp Records (Rough Trade)

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