Viagra Boys – viagr aboys

Der Sarkasmus. Die Satire. Der Mittelfinger. Mit ihren bewohnt bizarren Frontalattacken reiten die Viagra Boys eine Attacke auf die Vernunft nach der nächsten. Dieses Mal wollten sie sich von allzu viel Politischem bewusst distanzieren und den Blick wieder ein wenig breiter ausrichten, ohne auf die geradezu erdrückende Ironie zu verzichten. Und so landet nun „viagr aboys“, das Sänger Sebastian Murphy gewohnt selbstironisch und beißend auf den Punkt bringt: „Unser neues Album ist fast selbstbetitelt, nur noch ein bisschen einfacher und dümmer – so, wie ich eben bin.“ Und doch geht das nicht einmal als ein Viertel der Wahrheit durch.
Deine-Mutter-Witze für die Generation OnlyFans, ein Rülpser mitten in der Strophe und ein Walmart-Spaziergang statten den Opener „Man Made Of Meat“ aus. Schnell wird deutlich, das der etatmäßige Wahnsinn, rund um Post Punk, Art Rock und etwas Noise locker aufgereiht, durchgeknallt bleibt, bloß auf andere Weise. Murphy liebt den Silbenreichtum, die Quasi-Hook im Chorus geht letztlich vom schrubbenden, unterkühlten Bass aus, dazu bleibt die statische Präsentation nervös. Ähnliches gelingt „You N33d Me“, in dem es ab der ersten Sekunde ganz heftig brodelt, kleinere elektronische Ausritte inklusive. Kurz vor dem Rave folgt die unvermeidbare Selbstzerfleischung.
Der anschließende Unterbewusstseinsstrom „Best In Show Pt. IV“ wird zur bitterbösen neospirituellen Endlosschleife, die eine neue Gruppe Scharlatane ins Visier nimmt. Freundlich und witzig gibt sich hingegen „Uno II“, inspiriert von endlosen Tierarztbesuchen mit Murphys Hund. Was wohl in dessen Kopf herumgeistert? Ein kleiner Seitenheib auf die eigenen Exkurse über schwedische Politik lässt sich nicht vermeiden. Die „Medicine For Horses“ klingt ungesund, schleppt sich semi-betäubt durch die Szenerie und findet irgendwann zur erstaunlich nüchternen Piano-Ballade „River King“, hinter deren Zärtlichkeit natürlich ein kleiner Abgrund steckt. Der Hit des Albums ist aber „The Bog Body“, ein kantiger, beißender Punker mit überlebensgroßem Refrain und drei Minuten Ohrwurm-Chaos.
Auch mit vergleichsweise wenig Politik und Satire bleiben Viagra Boys bissig und unbequem, jedoch so eingängig und schräg wie eh und je. Klar, das passt jetzt nicht so 100%ig zusammen, macht aber wohl gerade deswegen unheimlich viel Sinn. Auch „viagr aboys“ scheißt auf Befindlichkeiten, ohne Empfindungen zu ignorieren oder gar empathielos zu sein. Zugleich zeigt sich der Abriss gewohnt vielschichtig, von vergleichsweise straighten Dampfhammern bis hin zur kunstvollen Avantgarde, natürlich in bekömmliche Portionen unterteilt. Das ist alles, das bedeutet nichts und macht doch Sinn – so wie sich das bei Viagra Boys gehört. Einmal mehr gelingt dem Perineum des Post Punk ein beklatschenswerter Punktsieg über den Anstand, so schön und so großartig großkotzig wie immer.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 25.04.2025
Erhältlich über: Shrimptech Enterprises (Bertus)
Website: www.vboysstockholm.com
Facebook: www.facebook.com/viagraboys