Bartees Strange – Horror

Der durchaus offensive Umgang mit Ängsten gehört für Bartees Strange quasi zum guten Ton – bei einem erklärten Horrorfan keine große Überraschung. Und doch geht es nicht unbedingt um Gruseln und Jumpscares, sondern um eine Welt, die nicht immer durch erklärte Freundlichkeit glänzt. Als junger, queerer, schwarzer Mensch waren die ländlichen USA gewiss nicht der einfachste Ort. Letztlich waren Gruselfilme ein wertvolles Hilfsmittel zur Vorbereitung auf den Alltag. Und der ist anno 2025 selbst in den großen amerikanischen Städten alles andere als eitel Sonnenschein. „Horror“ bringt diese Herausforderungen auf den Punkt und genießt zudem die Freiheit, sich musikalisch einmal mehr vollends auszutoben.
Wie schon auf den beiden Vorgängern regiert stilistische Pluralität, unvorhersehbar und angenehm bunt. Zudem bemüht sich Strange um den Perspektivenwechsel, intoniert fast jeden Track gleichzeitig als mutiger Held und als Angsthase. Das hymnische „Backseat Banton“ befasst sich beispielsweise mit Verlangen, mit der Suche nach Hilfe und Unterstützung, geht aber zugleich selbstbewusst in die Zukunft. Dieser Spagat wird durch hymnische Indie-Klänge mit Pop- und Rock-Flair umgesetzt, groß und lebensbejahend. „17“, ein Song über die eigene Jugend, muss sich hingegen erst aus den Untiefen der eigenen Emotionen hervorarbeiten und blüht letztlich auf. Zarter RnB durchlebt eine kathartische Metamorphose, während sich der Protagonist, passend zum Arrangement, in einen wahren Rausch singt.
Diese zumindest musikalische Euphorie zieht sich jedoch nicht durch das gesamte Album. In „Lovers“ regiert unterkühlte Beateske, gefühlt schneller und nervöser werdend. Bartees Strange wirft seine Zeilen in dieses House-Meer ein und groovt dazu. An anderer Stelle lässt „Hit It Quit It“ die Gitarren besonders laut und verzerrt ertönen, nähert sich sogar kurz noisig-metallischen Gefilden und ist doch alles andere als das. Das mächtige „Lie 95“ experimentiert mit einem Pop-Chorus und hat doch Soul in Hülle und Fülle, während das ebenfalls getriebene „Doomsday Buttercup“ RnB und Elektronik für Understatement heranzieht. „Baltimore“ bemüht semi-balladeske Muster, holt eine Slide-Gitarre hinzu und bricht den Country-Charme mit einem lauten Solo – kann man auch so machen.
Überhaupt ist dieses Album im besten, im angenehmsten Sinne ‚a lot‘, und das ist verdammt noch mal gut so. Bartees Strange versucht viel, es geht so ziemlich alles auf. Die wechselnde Perspektive kann innerhalb der Songs etwas verwirren, ergibt mit fortlaufender Spieldauer und Beschäftigung dafür richtig viel Sinn, macht sich bärenstark und intensiviert die Erfahrung von „Horror“ beträchtlich. Musikalisch gibt es selbstverständlich ein Wildern in verschiedensten Genres, dieses Mal dank starker Produktion von sehr sauberem Klang begleitet. Zudem ist Strange als Sänger und Songwriter hörbar gereift, macht seinen Erfahrungsschatz greifbar und lockert im richtigen Moment auf. Das inzwischen dritte Album ist der erhoffte Volltreffer.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 14.02.2025
Erhältlich über: 4AD / Beggars Group (Indigo)
Website: www.barteesstrange.com
Facebook: www.facebook.com/BARTEESTRANGE