Disq – Collector
Zu Beginn des neuen Jahrtausends war Saddle Creek DIE ultimative Talenteschmiede für die lokale Szene von Omaha, Nebraska. Hier machten Conor Oberst (Bright Eyes, Desaparecidos) und Tim Kasher (Cursive, The Good Life) ihre ersten Schritte, später öffnete man sich für Bands außerhalb der Heimatstadt (Two Gallants, Rilo Kiley, The Thermals). Disq haben das Potenzial, sich in diese illustre Riege einzureihen. Das Quintett aus Madison, Wisconsin, allesamt zwischen dem Ende der Teens und den frühen Zwanzigern angesiedelt, veröffentlichte vor vier Jahren bereits ein Kleinod in Eigenregie. Dem Schülerband-Status entwachsen, widmet sich das Debütalbum „Collector“ einem überaus bunten musikalischen Mix.
Wie das eröffnende „Daily Routine“ förmlich in das Album hineinstolpert und dann den Rüpel raushängen lässt, hat unheimlich Stil. Ungemütlicher, leicht nölender Gesang, ein kurzer Drum-Hit, und plötzlich wird es laut – der kratzbürstige Indie-Track starrt auf Bildschirme, lässt ein wenig Noise hängen und hat doch so etwas wie Hooks zu bieten. „Konichiwa Internet“ geht in eine andere Richtung. Klar, man könnte sagen, es ginge auch hier im weitesten Sinne um Bildschirme, doch der Power-Pop-Ansatz mit dem leicht entschleunigten Refrain und dem feinsten Hauch von Psychedelia im Abgang kommt richtig gut.
Schnell zeigt sich: Disq in eine einzige Schublade zu zwängen, ist unmöglich. So erweist sich „Trash“ beispielsweise als gemächlicher Folk-Rocker mit typischem Saddle-Creek-Twang, während „Fun Song 4“ genau das ist: unheimlich spaßig. Man tobt sich instrumental zwischen Pop, Indie, Psych und diversen Effektgeräten aus. Strukturen werden so und so überbewertet. In „I’m Really Trying“ schielt das Quintett sogar in Richtung Post Punk, wenngleich mit unwiderstehlichen Hooks vermischt, in „Loneliness“ schließlich von melancholischer Entspanntheit entfremdet. Das kratzbürstige, nicht enden wollende „I Wanna Die“ knüpft konzeptuell an und wird schließlich von kleineren Feedback-Wänden umgeweht.
Anfangs etwas sehr viel, mit der Zeit jedoch einfach nur ein sehr gutes Album: „Collector“ ist das Werk einer Band, die viel ausprobieren will und dabei noch die Feinheiten ihres Sounds auslotet. Unzählige Genres und Referenzen landen im großen Topf, wild verrührt und manchmal etwas sehr ungewöhnlich serviert. Strangeness ist allerdings Disqs Geheimwaffe, denn aus dem Unerwarteten ergeben sich kleine Perlen, die schon jetzt eindrucksvolle Größe andeuten, und drei bis vier Mini-Hits abwerfen. In dieser Form steht den US-Newcomern eine mehr als goldene Zukunft bevor.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 20.03.2020
Erhältlich über: Saddle Creek (Rough Trade)
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