Pretenders – Hate For Sale

Eigentlich eine bizarre Situation: Obwohl Chrissy Hynde seit beinahe 15 Jahren mit demselben Line-up um die Welt tourt, ist dieses Quartett erst jetzt als Pretenders auf Platte zu hören – frühere Werke wurden mit Studiomusikern und anderen Wegbegleitern aufgenommen. Beweisen müssen die britischen Rock-Legenden nach über vier Jahrzehnten im Geschäft freilich nichts mehr, und so erfüllt „Hate For Sale“ einfach mal sämtliche Erwartungen.
Laut Hynde befindet man sich aktuell in einer „Man soll nicht reparieren, was nicht kaputt ist“-Phase, und so ist die Zusammensetzung der zehn Songs zu einem gewissen Grad vorhersehbar. Das ist aber nicht schlecht, denn die Qualität stimmt. Der eröffnende Titeltrack wirkt schroff und scharfkantig, scheint sich zeitweise selbst zu überschlagen und ist eine deutliche Referenz an die Anfänge der Band – etwas punkig und richtig schön unbequem. Das folgende „The Buzz“ – einer von vielen Tracks, der sich mit Hyndes Verflossenenen auseinandersetzt – zeigt sich melodischer, radiofreundlich, getragen. Auch das kennt man zur Genüge.
Die obgliatorischen Balladen finden natürlich auch statt. „You Can’t Hurt A Fool“ spielt mit RnB-Elementen und illustriert die Musikalität der Tour-Band, während „Crying In Public“ mit seinem Piano und den Streichern angenehm unpeinlich anmutet. „Lightning Man“ ist hingegen die obligatorische Reggae-Nummer – eine Hommage an den verstorbenen Wegbegleiter Richard Swift und zugleich von einer Specials-Show beeinflusst, die Hynde mit ihrem Lieblings-Stand-Up Bill Burr sah. Aus dieser lässigen Finsternis entführt „Didn’t Want To Be This Lonely“ mit klassichem Rock’n’Roll, während „Turf Accountant Daddy“ mit ein wenig Dreck und großen Gesten auftrumpft.
Längst haben die Pretenders ihren Sound gefunden und haben nicht voran, etwas zu verändern. Das mag jegliche Form von Überraschung nehmen, ist aber ebenso konsequent wie unterhaltsam. „Hate For Sale“ erfüllt sämtliche Erwartungen auf einem guten bis hohen Niveau. Die dezenten Punk- und Wave-Referenzen schlagen ein, die ruhigen Momente wirken ehrlich und einfühlsam, das weite Rock- und Pop-Feld zwischendurch unterhält einigermaßen. Alles also wie immer – die Pretenders bleiben zeitlos.
Wertung: 3,5/5
Erhältlich ab: 17.07.2020
Erhältlich über: BMG Rights Management (Warner Music)
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