JeGong – I

Räumliche Distanz lässt sich nicht immer so einfach bewältigen. Was viele in den letzten Monaten erstmals am eigenen Leib erfahren mussten, ist Standard für den kreativen Prozess von JeGong, das Duo um Mono-Schlagzeuger Dahm Majuri Cipolla und Reto Mäder von Sum Of R. Nach einem Track von Dieter Moebius‘ Projekt Cluster benannt, versteht sich die Band auf krautige Klänge mit Ambient, Elektronik und Post Rock. Ein Zusammenkommen für die Aufnahmen war nicht möglich, und so spielte Cipolla seine Parts in New York ein, während Mäder in Bern arbeitete. Gemischt wurde „I“ in Finnland und reiste mehrfach um die halbe Welt. Dafür klingt dieser Einstand erstaunlich homogen.
14 Songs, 76 Minuten Spielzeit: JeGong reizen die Grenzen des Machbaren auf mehrfache Weise aus und klingen dabei angenehm, erfrischend unaufgeregt. Das eröffnende „Sowing Dragons Teeth“ umreißt in etwa, wohin die Reise geht. Vieles spielt sich an den Wurzeln elektronischer Musik ab, als sich diese langsam aus krautiger Experimentalität herauslöste, ohne dabei das Rock-Suffix komplett zu vergessen. Von Cipollas stoischem Beat mit dezenten und dennoch wuchtigen Fills angetrieben, entwickelt sich eine alienhafte Karglandschaft mit zunehmend scharfkantigen, dennoch dezent im Hintergrund mitsurrenden Gitarren. Ein Hauch von Industrial (zumindest eine Urform, bevor es dieses Genre überhaupt gab) liegt in der Luft.
Das Spiel mit ellenlangen Loops und mäandernden Befindlichkeiten ist das große Kunststück dieser Platte. So hat „3 People, A Donkey And 2 Souls“ nach einer Minute so ziemlich alles gesagt, intensiviert die Grundaussage maximal ein wenig durch enger werdende Schleifen, und bleibt mit seinem schroffen Minimalismus doch hängen. Im Gegensatz dazu wirkt „The Great Return Of An Escaped Spirit“ meditativ und nachdenklich, beinahe in Ambient-Gefilde abdriftend. Dort wartet bereits der Achtminüter „Stable Off“ und breitet seine majestätischen Schwingen durch die Hinzunahme entfremdeter, gitarrenartiger Keys aus. Im schleppenden Rhythmus der Gleichgültigkeit wartet nackte Emotionalität.
Natürlich ist „I“ schwere Kost, wenngleich mit beeindruckender Leichtigkeit. Entfernt an die Soundtrack-Arbeiten von Trent Reznor und Atticus Ross erinnernd, bauen sich wiederholt hochgradig spannende, ungewöhnliche und doch mitreißende Klanglandschaften auf, die in ihrer absoluten Schlichtheit und Reduktion zugleich tiefe Verneigung vor den krautigen Electro-Wurzeln sind und durch clevere, niemals unnötige Schleifen hängen blieben, Kopfkino erzeugen, in ungeahnte Sphären entführen. Und das ohne gemeinsam im Studio gewesen zu sein – ein starker Einstand von JeGong, bei dem man sich prächtig fallen lassen kann.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 16.10.2020
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
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