Chamberlain – Red Weather

Chamberlain
(c) Tony Byrd Photography

In den 90er Jahren legten Chamberlain mehrere maßgebliche Midwestern-Emo-Leckerbissen vor. 2000 löste sich die Band auf und fand nach einer Mini-Reunion erst vor zwei Jahren wieder zusammen, um eine Jubiläumstour ihres letzten Albums zu begehen. Wobei dieses „letzte Album“ mittlerweile überholt ist, denn aus den Revival-Gigs wurde ein komplettes Comeback, das sogar zurück ins Studio führte. Mit Emo-Klängen haben die gestandenen Herren mittlerweile aber wenig am Hut, und so klingt das Comeback-Werk „Red Weather“ nach gestandenem Heartland-Rock aus den Tiefen des amerikanischen Songbook.

Von der einstigen Verwandtschaft zu Sunny Day Real Estate und Jimmy Eat World ist heute wenig zu hören. Bereits der Opener „Not Your War“ geht in eine Richtung, die an Brian Fallon und Bruce Springsteen erinnert – hemdsärmelig, sehr amerikanisch und gefühlsecht. David Moores Stimme trägt immer noch gewisse Spuren von früher in sich, ist allerdings hörbar gereift – der gemächliche Rock-Song mit folkigen Untertönen und großen Emotionen überrascht erst einmal, bleibt jedoch sofort hängen. „Calling All Cars“ erhöht die Schlagzahl ein wenig, doch bleibt maximal das Schlagzeug nervös. Rundherum trimmen sich die Gitarren auf Eingängigkeit und konkurrieren kurzweilig mit der angedeuteten Atemlosigkeit.

Wirklich rasant und laut wird es nur ganz selten, doch auch das beherrschen Chamberlain prima. Ihr „Every Trick In The Book“ kratzt ein wenig, nimmt schnell Fahrt auf und packt einen dicken Ohrwurm im Vorbeirauschen aus. Die schrammelnde, entfremdete Gitarre trägt hingegen Post-Rock-Qualitäten in sich, ohne diese Richtung zu verfolgen. Hingegen bemüht sich „Lights Go Low“ um heimelige Rührseiligkeit und wickelt sich in eine Wohlfühldecke ein. Klar, das klingt nach Stadion-Kitsch und nimmt sogar ein wenig Coldplay oder Snow Patrol mit, und doch bewegt das Ding. Ähnliches gilt für „Some Other Sky“, das mit ein paar Tweaks in Richtung OneRepublic abgleiten könnte, und doch immer wieder zurück ins Heartland findet – ein unberechenbarer wie toller Track.

„Red Weather“ ist gewiss nicht das Album, das man sich von Chamberlain nach all der Zeit erwartet hat, und doch vielleicht das einzig logische Ergebnis. Ausnahmsweise kann man tatsächlich von einer Band sprechen, die erwachsen geworden ist – ohne Klischees, ohne negative Konnotation. Chamberlain stellen sich in vielerlei Hinsicht anders auf und schreiben weiterhin gute Songs, bloß in einem anderen musikalischen Umfeld. Und wie das funktioniert.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 18.12.2020
Erhältlich über: Arctic Rodeo Recordings (Broken Silence)

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