Steve Earle & The Dukes – J.T.
Ein neues Album von Steve Earle & The Dukes sollte ein Anlass zur Freude sein. Dem ist dieses Mal bestenfalls bedingt so. Am 20. August 2020 starb sein Sohn Justin Townes Earle, er wurde nur 38 Jahre alt. Für den Vater gab es nach eigener Angabe nur eine einzige Art, wirklich Abschied zu nehmen: auf musikalische Weise. Auf „J.T.“ – Justin Townes‘ Spitzname bis zum Erwachsenenalter – covert er sich durch den Katalog des Sohnes. 100 % der Einnahmen gehen an einen Trust für Justins dreijährige Tochter Etta.
Zu den stärksten Exkursen zählt „The Saint Of Lost Causes“, Titelsong von Justin Townes Earles letzter Platte. Bleierner, aufwühlender Blues Rock mit kauzigem Outlaw-Charme, dazu die kratzige Stimme des Vaters – was für ein bewegendes Happening. Als krasser Gegensatz platziert sich der Opener „I Don’t Care“, ein relativ klassischer Country- und Folk-Track von der allerersten EP „Yuma“ aus dem Jahr 2007 – kurz, schwungvoll, mit doppeltem Boden ausgestattet. Die Trauerarbeit widmet sich somit auch etwas energischeren, vorwitzigen Momenten und zeigt Steve Earles Mühe, das komplette Schaffen des Sohnes abzubilden.
Und das glänzt durch packende Vielfalt. „They Killed John Henry“ ist tief im Alternative Country des Vaters verankert, wirkt durchaus verspielt, während der „Harlem River Blues“ seine Fühler zu schwerfälliger Lässigkeit ausstreckt und jenen Schalk im Nacken mitbringt, den „Far Away In Another Town“ in sympathisch kitschiger Reduktion verstärkt. Noch besser wird es nur in „Last Words“, das Steve Earle exklusiv für seinen Sohn schrieb. Jede einzelne Note trägt Erschütterung in sich und löst Gänsehaut aus.
Man möchte sich über diese Platte mehr freuen können, denn „J.T.“ ist richtig gut geworden. Selbst ohne die Vorgeschichte wäre dies ein bewegendes, in vielerlei Hinsicht aufregendes und mitreißendes Album geworden, das nicht nur Steve Earles eindrucksvolles Können als echte Legende zeigt, sondern zugleich das vielfältige Songwriting und die musikalische Leidenschaft von Justin Townes Earle perfekt abbildet. Was für ein furchtbarer Verlust, was für ein beeindruckender Tribut an einen großartigen Musiker.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 04.01.2021
Erhältlich über: New West Records / PIAS (Rough Trade)
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