Jakob Mind – The One Who Got Away
Kurz nach den Aufnahmen zu „Rat City Dog Boy“, dem Anfang 2020 erschienenen Album von Rotten Mind, zog es Gitarrist und Sänger Jakob Arvidsson wieder ins Studio. Dort nahm er ein paar Songs auf, ohne ein konkretes Ziel oder Projekt im Sinn zu haben. Ein erstes gepostetes Demostück heimste euphorische Reaktionen ein, und schon lief der kreative Motor heiß. Als Jakob Mind präsentiert Arvidsson nun seine Solo-Spielwiese, die natürlich an die Hauptband erinnert und doch weit über diese hinausgehen. Zwischen den Buzzcocks und Velvet Underground breitet sich „The One Who Got Away“ aus.
Diese etwas unerwartete Eigenwilligkeit kommt im abschließenden „I Don’t Wanna Be (Around) You“ prima zusammen, denn zu Minds aufgewühltem Gesang, der im Refrain komplett abdreht, gesellt sich ein eingängiger, schroffer Mix aus Punk Rock und Post Punk mit etatmäßiger Düsternis und vertrautem Akkord-Schema – ganz kurios, sehr schnell vorbei und doch fest im Gehörgang verankert. Davon will „Rock’N’Roll’s Got Me All Messed Up“ eigentlich nichts wissen und bewegt sich tatsächlich in recht klassischen Rock-Gefilden mit typisch skandinavischem Flair. Der lässige, kompakte Retro-Feger bringt eigentlich alles mit, was in den 60s und 70s angesagt war, bloß mit modernen Erkenntnissen angereichert.
Hingegen setzt „Watch The City Burn“ alles auf die typische Punk-Karte, überholt sich stellenweise selbst und brennt sich direkt ein. Ja, die Gitarre schielt wieder entfernt in Post-Gefilde, ohne in diese einzutauchen – siehe und höre auch das nicht minder famose „Let Them Burn“. „On The Floor“, einer der seltenen längeren Momente, baut das Geschehen hingegen betont behutsam auf, bäumt sich in sympathischer Gemächlichkeit auf und macht einen weiten Bogen um Hektik. Der eingängige, düster angehauchte Post-Punk-Song taucht tief in die Stilistik der 80er Jahre ein und hat hörbar Spaß an seiner nihilistischen Direktheit.
In einer knappen halben Stunde ist schon wieder alles vorbei und eitel. Jakob Mind debütiert schnörkellos mit der DNA von Rotten Mind und der Eigenwilligkeit früherer sowie späterer Jahrzehnte. „The One Who Got Away“ ist wie eine Rundreise durch die weite Punk-Welt, deren Vorfahren und Ausläufer. Das mag selbstverständlich nicht revolutionär und eigentlich auch viel zu kurz sein, beißt sich aber sofort fest. Westentaschen-Hits und Rohdiamanten am laufenden Band verbreiten beste Unterhaltung, hochgradig bekömmliche Weirdness und das vorzeitige Verlangen, möglichst bald einen Nachfolger zu bekommen. Mit diesem Nebenschauplatz zeigt sich Jakob Arvidsson von seiner besten Seite.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 16.04.2021
Erhältlich über: Lövely Records
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