Greg Puciato – Mirrorcell

Greg Puciato
(c) Jim Louvau

Seit dem Ende der legendären Mathcore-Pioniere The Dillinger Escape Plan zeigt sich Greg Puciato schwer beschäftigt. Neben den Supergroups The Black Queen und Killer Be Killed begleitet er aktuell Jerry Cantrell (Alice In Chains) auf Tour, nachdem er bereits auf dessen Soloalbum mitwirken durfte. Zudem nimmt der Charakterkopf selbst Musik auf. Auf das vielschichtige wie unvorhersehbare „Child Soldier: Creator Of God“ folgt nun „Mirrorcell“, das den eingeschlagenen Weg – vertrautes Chaos trifft auf dicken Rock, elektronisch befeuerten Pop und kauzige Auslotung der eigenen Grenzen – mit wachsender Begeisterung fortsetzt.

Eine gewisse Eingängigkeit bleibt natürlich erhalten. „Lowered“ mit Reba Meyers ist der etatmäßige Radiosong, sofern man das bei Puciato überhaupt sagen kann. Im Spannungsverhältnis zwischen launischer Rock-Hymne und bedrohlichem Düster-Pop finden sich zwei Stimmen. „Reality Spiral“ nimmt diese Beklemmung mit und holt Ideen seiner diversen (ehemaligen) Projekte hinzu – launisch, unbequem und doch hymnisch. Gerade die höllische und doch leicht poppige Abfahrt des Hauptteils samt elektronisch-industriellem Unterbau kommt verdammt gut.

Überhaupt eskaliert diese Platte gefühlt am laufenden Band, wobei das abschließende „All Waves To Nothing“ nicht nur aufgrund der stattlichen Spielzeit den absoluten Gipfel des Wahnsinns darstellt. Wiederholte Entgleisungen zwischen ominösen Post-Gaze-Weisheiten – in den ruhigen Abschnitten liegt ein Hauch Deftones in der Luft – klassischem Rock-Volumen mit einem angedeuteten Gitarrensolo und purer, beißender Wut in bester Dillinger-Manier halten die Spannung hoch. Letzteres taucht auch im fantastischen „No More Lives To Go“ auf, unwohl auf einem noisigen Alternative-Fundament gebettet. Das stete Zucken der Frustation kommt gut.

Und so passiert musikalisch mehr oder minder exakt das, was man sich erwarten konnte, und zwar im besten Sinn. Greg Puciato kann und will nicht aus seiner Haut, selbstverständlich zum absoluten Vorteil des Publikums. „Mirrorcell“ setzt den vielschichtigen Kurs des Einstands konsequent fort und deckt abermals Wahnwitziges von Electro-Pop bis Mathcore und Industrial ab, begleitet von allerlei Zwischentönen und Hymnen. Durchgehender Wahnsinn auf Anschlag und schroffe wie harmonische Kuriositäten legen die Messlatte erneut hoch. Man muss sich nur auf die eingängige Komplexität einlassen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 01.07.2022
Erhältlich über: Federal Prisoner

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