TV Cult – Industry

TV Cult
(c) Nirén Mahajan

Der Begriff ‚Achtungserfolg‘ mag es vielleicht nicht so ganz treffen, und doch sorgte „Colony“ für ein gesundes Maß an Aufmerksamkeit, gerade in Post-Punk-Kreisen (unter anderem zählt Idles-Bassist Adam Devonshire zu den Fans der Platte). Dahinter steckt das Kölner Quartett TV Cult, dessen aufbrausender, roher und lauter Aufgalopp Genre-Grenzen sprengte, sich noisig, aber auch finster und desolat gab. Knapp zwei Jahre später landet nun der Nachfolger „Industry“ und schlägt eine halbe Stunde lang in eine ähnliche Kerbe. In Köln von Christoph Scheidel (Hammerhead) aufgenommen, in den Londoner Holy Mountain Studios von Misha Hering (High Vis, Idles) gemischt und in Portland von Brad Boatright („Stranger Things“-Soundtrack) gemastert, stimmt die Richtung weiterhin.

Tür trifft Haus: „Communion“ bringt sämtliche Qualitäten des Einstands in gut zweieinhalb Minuten zusammen. Der unruhige, grantige Track sucht nach Bedeutung in einer Zeit falscher Ideologien. Während sich das Arrangement im konstanten (Post-)Fluss besteht, geht die größte Gefahr von den Vocals aus – mal mit Hardcore flirtend, dann mit Grabesstimme vorgetragen. Es ist ein krasser Spagat in diesem Auftakt, der die gefährliche Unvorhersehbarkeit des Albums prima umreißt. In „Primary Crusher“ regiert ähnliche Atemlosigkeit, stets eine Stufe unterhalb noisiger Urgewalt operierend und doch dem Kinnhaken mit Anlauf sehr nahe.

Spannend wird es, wenn TV Cult ihre vertraute Arrangierung aufbrechen und Art Rock mit Ambient und Wave vermischen. Wie in „Symbols Of Death“, ein über weite Strecken leichtfüßig schwebender Track, dem selbst etwas weiter gen Hintergrund gedrängte Gitarrenwände und wütende Schreie purer Verzweiflung nichts anhaben können. Oder „Crack The Whip“, in manchen Momenten fast meditativ und von konstantem Understatement durchzogen, während die Fassung entgleitet. Natürlich gibt es weiterhin die stoischen, frontalen Songs, die nicht mehr aus dem Ohr gehen, wie das mit einer fantastischen Quasi-Melodie ausgestattete „Pyramids“, das einen potenziellen Indie-Hit über die Rasiermesserklinge des Grauens reiten lässt.

TV Cult beißen sich auf hohem Niveau fest und versuchen sogar noch ein wenig mehr. Musikalisch knüpfen sie souverän an den Einstand an, drängen die Mischung aus Post Punk, Noise Rock, Wave, Art und unzähligen Zwischentönen mehr und mehr in Richtung nächstes Level. Und das geht mit wachsender Begeisterung unter die Haut. Die Kölner könnten in manchen Momenten ganz locker in Richtung Mini-Hit und Festival-Hymne abbiegen, haben jedoch herzlich wenig Lust darauf, ihre im besten Sinne räudige Kompromisslosigkeit aufzugeben. Es gibt genug zu sagen, und das muss eben auf unwirtliche bis unwirsche Weise passieren – ein erneutes Stochern in offenen Wunden, mit Herz und ganz viel Hirn.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 10.10.2025
Erhältlich über: Flight13 Records (Indigo)

Facebook: www.facebook.com/tlucvt