Lambrini Girls – Who Let The Dogs Out
Massig Alkohol und Zeitdruck, das waren die nicht ganz so geheimen Zutaten für das erste Album von Lambrini Girls. Phoebe Lunny (Gesang, Gitarre) und Lilly Macieria (Bass) aus dem britischen Brighton konnten sich binnen kürzester Zeit einen herausragenden Ruf als Live-Band erspielen, begleitet von zwei nicht minder kurzweiligen EPs, die unterschiedliche noisige Punk-Spielarten mit sehr pointierten Kommentaren zur anti-romantischen sozialen Gegenwart verbanden. Gerade in ihrer Heimat entwickelte sich ein kleiner Hype um das Duo. Tatsächlich geht „Who Let The Dogs Out“ mit dem Druck ganz locker um und schüttelt ein Statement Piece aus dem Ärmel.
Songs wie „Big Dick Energy“ machen schnell deutlich, wohin die Reise geht: Lärmender, noisiger Punk, der offensiv mit dem Post-Präfix umgeht, nennt die Dinge beim Namen – in diesem Fall geht es um Männer, die zugleich anmaßend und gefährlich sind. Das Ego wird mit chirurgischer Präzision zerlegt, von musikalischem Dauerfeuer begleitet. Im Vergleich dazu klingt „No Homo“ fast schon ruhig und geordnet, zeigt sich zynisch und furios, findet immer wieder zurück zum mächtigen Riff. Die popkulturelle Gestaltung von ‚cunty‘ wird in „Cuntology 101“ zur Parole, zum Leitmotiv, mit dem man sich selbst in den Mittelpunkt rückt, frontale Achtsamkeit praktiziert und falsche Zurückhaltung ablegt.
Wobei, so etwas wie Zurückhaltung gibt es bei Lambrini Girls so und so nicht – siehe und höre Tracks wie „Filthy Rich Nepo Baby“, die in Ton und Text an Idles und shame erinnern, ohne jemals die eigene Handschrift zu opfern. Eine knackige Abrechnung mit der Musikindustrie trifft auf die gallige Seite der jüngsten Post-Punk-Revivals, feministisch und Working Class, zugleich mit dem nötigen, mehr als verdienten Selbstbewusstsein ausgestattet. Das schwingt ebenso in „Company Culture“ mit. Tanzbare Gitarren thematisieren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und machen daraus einen überraschenden Singalong. Hingegen haut „Bad Apple“ noisig drauf, wird verdammt deutlich und nimmt den Zeitgeist perfekt mit.
In unter einer halben Stunde stecken Lambrini Girls ihr Territorium ab, reden Tacheles und verpacken deutliches Messaging in unfassbar gute Musik. Das kommt gerne mal sperrig und dissonant rüber, doch passt das wie Arsch auf Eimer angesichts der behandelten Themen. Und mittendrin, quasi zur Krönung, tauchen verkappte Ohrwürmer auf, welche diese Platte wie Kleber zusammenhalten. „Who Let The Dogs Out“ weiß, dass falsche Zurückhaltung fehl am Platze ist, erarbeitet sich seinen Platz fieberhaft und teilt aus – gekonnt, fair und allumfassend. Und der Hype? Der war selbstverständlich mehr als berechtigt. Lambrini Girls lösen das Versprechen ihrer bisherigen EPs verdammt stark ein.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 10.01.2025
Erhältlich über: City Slang (Rough Trade)
Website: www.lambrinigirlsband.co.uk
Facebook: www.facebook.com/LambriniGirlsband