Horsegirl – Phonetics On And On

Kann, nein, soll man bei einem zweiten Album schon von einem Neustart sprechen? Das klingt wohl etwas überzeichnet, und doch ist in den zweieinhalb Jahren seit „Versions Of Modern Performance“, dem ersten Album des Trios Horsegirl, so viel passiert. Die besten Freundinnen zog es nach New York, wo zwei der drei Musikerinnen die Universität NYU besuchen, dennoch ging es – ausgerechnet an den kältesten Tagen des Jahres – für die Aufnahmen zurück nach Chicago. Zudem widmete man sich gemeinsam mit Cate Le Bon einer betont minimalistischen Öffnung, von Reduktion beeinflusst. „Phonetics On And On“ klingt entsprechend frisch, ohne den schrammelnden Pop-Kern aufzugeben.
Das bezaubernde, dynamische „2468“ illustriert das recht gekonnt, wirkt post-modern und zugleich wie aus der Zeit gefallen, während es endlose Silben über das Arrangement regnet. Das schräge, drückende Finale passt ebenso ins Bild. Solch überraschende Wendungen liegen Horsegirl im Blut, siehe und höre das ohnehin starke „Rock City“. Beinahe einlullend schrammelt sich das Trio durch den Song, mit butterweichen Vocals und ätherischer Jenseitigkeit ausgestattet, einem schwer greifbaren Ziel folgend. In den letzten 30 Sekunden bricht der Track plötzlich, nimmt deutlich Fahrt auf und kollabiert schließlich in einem kleinen Fieberanfall. Was ist denn da eben passiert?
Wirklich Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, bleibt nicht. Denn obwohl die Zwischenräume auf dieser Platte mehr Bedeutung einnehmen, werden die Songs dennoch mit greifbarem Nachdruck abgefeuert. Das zurückhaltende „Frontrunner“ tastet sich mit Country-artigen Klängen voran und nimmt die Indie-College-Wurzeln mit, die direkt davor „Information Content“ durch bewusste Zäsuren und Mini-Breakdowns gejagt hat. Bei Horsegirl setzt es jedoch keinen Moshpit, sondern fokussierte Stilbrüche, aus denen verschrobene Gitarrenexperimente entspringen. Im Vergleich dazu gibt sich „I Can’t Stand To See You“ treibend und voluminös. Derlei Verdichtung taucht auch in „Julie“ ab und an auf, nur um von Claps ad absurdum geführt zu werden.
Im luftleeren Raum ist die Stimmung bis zum Zerreißen gespannt – ein Kunstgriff, den Horsegirl bereits auf ihrem zweiten Album perfektionieren. Die Lust auf Lo-Fi begleitet die drei Freundinnen durch aufregende Songs, in denen weniger tatsächlich so, so viel mehr ist. Alleine das Spiel mit den musikalischen Gezeiten, mit innehaltenden Ebben und lautmalerischen Fluten, bekommt „Phonetics On And On“ richtig gut. Auf diese Weise rückt das Songwriting weiter in den Mittelpunkt, widmet sich einzig dem Wesentlichen und fährt damit verdammt gut. Etwas kauzig in der ersten Begegnung, dann unheimlich packend und belend: Horsegirl orientieren sich weiter nach oben.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 14.02.2025
Erhältlich über: Matador Records / Beggars Group (Indigo)
Website: horsegirlmusic.com
Facebook: www.facebook.com/horsegirlmusic